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Leiko Ikemura, With Blue Miko in Black, 1997
Öl auf Leinwand, 70 x 50 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau / Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung (2024)
Copyright: ProLitteris, Zürich
Fotocredit: Ullmann Photography (Timo Ullmann)

Leiko Ikemura (*1951) malt, zeichnet, fotografiert und ist Plastikerin. In jedem dieser Medien besitzt die japanisch-schweizerische Künstlerin, die seit 1983 in Deutschland lebt, die besondere Gabe, den Dingen ihre Geheimnisse zu lassen. Grossen Anteil daran hat die Machart der Werke. Landschaften, Figuren, hybride Wesen: Alle ihre Motive, namentlich jene auf Papier und Leinwand, sind stets nur angedeutet. Fliessend gemalt oder transluzent in unzähligen Schichten übereinandergelegt, scheinen sie sich in einem permanenten Schwebezustand gleichzeitig zu materialisieren und aufzulösen.

«With Blue Miko in Black», ein Mittelformat aus der Reihe der «Girls», folgt exakt diesem Schema. Teils lasierend, teils deckend auf grober Leinwand angelegt, tritt die Figur des Mädchens nur zögerlich aus dem Dunkel. Alles Licht konzentriert sich im reinen Weiss des Röckchens. Damit ist die Ankerzone geschaffen, von der aus der Blick hoch zum Gesicht des Mädchens springen kann, um gleich wieder hinunter zur zweiten Protagonistin zu wandern: zu Miko, der blauen, in die linke Armbeuge des Mädchens geschmiegten Katze, die genauso heisst wie das Tier der Künstlerin. Die von beiden Beteiligten ausgestrahlte Ruhe gibt ihrem Verhältnis eine vertrauensvolle, innige Note. Beiläufig wirkende Details wie der Verbindung schaffende Blauschleier über Teilen der Arme oder das quasi die Kinnlinie des Mädchens kitzelnde Ohr des Tiers stärken den Eindruck von Nähe. Von der gleichen intuitiven Farb- und Flächenbehandlung zeugen auch die dunklen Bildpartien. Feinste Schattierungen von Schwarz und Blau lassen den Oberkörper des Mädchens mit dem Umraum verschmelzen, während der Körper der Katze genau diese Übergänge besetzt. Nicht nur für dieses Bild, sondern generell ist der Künstlerin eine glückliche Pinselführung zu attestieren. Oder wie sie es selbst formuliert: Statt Dinge zu machen, gehe es vielmehr darum, diese einfach geschehen zu lassen. «Don’t make things; let them happen, instead.»

Nicht alle von Leiko Ikemuras «Girls» geraten indes harmonisch. Einige scheinen trotz ihres unbestimmten, aber offenkundig jungen Alters von Traurigkeit erfasst oder wirken geisterhaft. Andere liegen reg- und schwerelos auf Wattekissen ewiger Nacht. Wieder andere – mit oder ohne Miko – präsentieren sich kopflos, sprich vom Denken befreit, in glasierter Keramik oder farbigem Glas. Jüngst erweisen sich einige zudem als harsch, grimmig oder rebellisch, kurz: als «difficult».

1997 gemalt, steht «With Blue Miko in Black» in dieser offenen Werkreihe fast noch am Anfang. Auch gehört das Bild zur Gruppe der Arbeiten, mit denen die Künstlerin die Universalfarben Schwarz, Blau und Weiss erstmals so reduziert erprobt. Das Schwarz verbindet sich dabei für Leiko Ikemura sowohl mit der Vorstellung einer «warmen, immerwährenden Farbe», als auch mit der Idee des Nichts und grosser Einsamkeit. Latent erinnert der Farbakkord aber auch daran, dass im alten Japan ursprünglich nur zwischen hell und dunkel, klar und vage unterschieden wurde und die dafür benutzten Begriffe aka, kuro, shiro und ao erst viel später auf die Farbnamen Rot, Schwarz, Weiss und Blau übergingen. Das Geheimnis des Bildes – sofern man es überhaupt ergründen und benennen will – mag zum Teil in dieser archaischen, weit aus der Tiefe der Zeit hinaufhallenden Welterfahrung liegen. Noch wichtiger dürfte allerdings sein, dass Mensch und Tier bei Ikemura oft eine ebenso genuine, animistische Symbiose miteinander eingehen. Dass miko nicht nur der Name der häufig im Schaffen der Künstlerin vorkommenden Katze ist, sondern zugleich eine junge shintōistische Tempeldienerin oder je nach Dynastie auch Priesterin oder Seherin meint, eröffnet diese spirituelle Ebene auch dem vorliegenden Paar. Ikemura, die mit Japanisch, Spanisch, Englisch und Deutsch etliche menschliche Sprachen spricht, weiss auch mit nicht-humanen Wesen würdevoll zu kommunizieren.

Astrid Näff, 2024

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