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Christian Rothacher, Abhäutungen, 1972
Bleistift, Buntstift, Aquarell auf Papier, 50 x 70.5 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Nachlass Christian Rothacher, vertreten durch Marlene Frei, Zürich

In der Sammlung des Aargauer Kunsthauses finden sich zahlreiche Werke des in Aarau geborenen Künstlers Christian Rothacher (1944–2007), die die unterschiedlichen Ausprägungen seines vielfältigen Schaffens anhand von Zeichnungen, Objekten, Grafiken und Gemälden dokumentieren.

Rothacher bezieht zusammen mit Hugo Suter (1943–2013), Max Matter (*1941), Markus Müller (*1943), Josef Herzog (1939–1998) und anderen aus ökonomischen Überlegungen die ehemalige Fabrikliegenschaft am Ziegelrain in Aarau. Das Areal bietet den unterschiedlichen Künstlern Raum für Experimente, und der gegenseitige Austausch wirkt stimulierend auf die Kunstproduktion. Die Ateliergemeinschaft ist zwar keine Künstlergruppe im konventionellen Sinn, sie trägt aber entscheidend zur Wahrnehmung der einzelnen Kunstschaffenden bei. Zum ersten Mal entwickeln sich Orte der Peripherie – neben Aarau auch Bern und Luzern – zu führenden Schweizer Kunstzentren.

Um 1968 durchläuft Rothachers Bildsprache einen radikalen Wandel. Nach intensiver Auseinandersetzung mit der englischen Pop Art arbeitet der Künstler vermehrt mit „armen“ Materialien im Sinne der Arte povera: mit Holz, Fell, Leder, Blei oder Gaze. Wegweisend für seine Entwicklung ist die Ausstellung „When attitudes become form“ von Harald Szeemann 1969 in der Kunsthalle Bern, die zum ersten Mal die gesamte Spannbreite der neueren bildenden Kunst in der Schweiz vor Augen führt.

Rothacher verschafft sich daraufhin als Objekt- und Materialkünstler einen Namen. Die mit Fell bespannten Rahmen, die verchromten Schnittflächen von Rundhölzern und mit Gipsbandagen überzogenen Chassis, die Rothacher zwischen 1968 und 1972 fertigt, prägen seine Rezeption entscheidend, denn lange Zeit wird er zu einseitig als Schöpfer von Objekten wahrgenommen. Daneben entstehen aber auch Arbeiten, die den Künstler als hervorragenden Zeichner und Aquarellisten ausweisen. Einerseits skizziert er modellartig seine Bildideen, die oftmals erst Jahre später als dreidimensionale Kunst umgesetzt werden; andererseits erschafft er auch eigenständige grafische Werke. Insbesondere seine Zeichnungen, die an Arbeiten Ilse Webers und Hugo Suters erinnern, wirken durch ihre feinen, zarten Striche poetisch und traumhaft.

Rothacher fühlt sich der Natur verbunden und beobachtet sie genau. Folglich erstaunt es nicht, dass die Auseinandersetzung mit ihren Elementen in seinem Œuvre eine zentrale Rolle spielt. – so auch im Werk „Abhäutungen“, welches das Aargauer Kunsthaus 1973 aus dem Besitz des Künstlers erwirbt. Die Zeichnung zeigt eine rechteckige Vitrine in einer nicht weiter definierten Umgebung. Unter dem schützenden Glas liegt auf einer weissen Unterlage ein geschnitztes Holzstück, dessen unterer Teil einem Gelenkknochen nachempfunden und dessen oberes Ende zugespitzt ist. Rechts daneben ist eine verzweigte Form – durch einen Zettel als „Abhäutungen“ bezeichnet – mit Stecknadeln auf die Unterlage gespannt.

Charakteristisch für Rothachers Arbeiten sind ihre Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit, die die Betrachtenden zur eingehenden Auseinandersetzung herausfordern. Die saubere Darbietung der Gegenstände unter der Glashaube erinnert an Präsentationsformen in Naturkundemuseen. Zusätzlich verweisen die dargestellten Objekte und auch der Titel auf natürliche Vorgänge im ewigen Kreislauf des Lebens, wie beispielsweise das Ablegen der äusseren Haut bei Würmern oder Schlangen. Ausserdem lässt die Form an das Geweih männlicher Hirsche denken: Während der Wachstumsphase ist es von einer Haut umgeben, die abgestreift wird, sobald die volle Grösse erreicht ist.

Karoliina Elmer

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