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Heiner Kielholz, Der Busch, 1980
Bleistift und Tusche auf grundierter Spanplatte, 215 x 169.5 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau / Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern / Dauerleihgabe im Aargauer Kunsthaus Aarau

Der aus dem aargauischen Rheinfelden stammende Heiner Kielholz (*1942) bezieht in den 1960er-Jahren zusammen mit Christian Rothacher (1944–2007), Hugo Suter (1943–2013), Max Matter (*1941), Markus Müller (*1943), Josef Herzog (1939–1998) und anderen Künstlern Räumlichkeiten einer ehemaligen Galvanisier- und Metallveredelungsanstalt am Ziegelrain in Aarau. Als Teil der Schweizer Avantgarde wahrgenommen, wird seine Tätigkeit von der Kunstwelt mit Aufmerksamkeit verfolgt, was ihm 1971 die Teilnahme an der Biennale São Paolo ermöglicht. Nach der Auflösung der Ateliergemeinschaft 1972 bis in die 1990er-Jahre ist der Künstler mehrheitlich unterwegs auf Reisen in Süd- und Osteuropa sowie in der Türkei. In bewusster Abkehr vom westlichen Kunstbetrieb entsteht seither ein reiches und vielfältiges Œuvre.

In den Beständen des Aargauer Kunsthauses finden sich zahlreiche Zeichnungen und Gemälde – Landschaften, Porträts und Stillleben – aus dem Schaffen der 1970er- bis in die 1990er-Jahre. „Der Busch“ gelangt 1987 als Dauerleihgabe des Bundesamts für Kultur der Schweizerischen Eidgenossenschaft in die hiesige Sammlung. Im ungewöhnlich grossformatigen Bild vereint Kielholz figuratives Blumenranken-Gewächs mit einem Kreisgeflecht. Dominieren in der linken Bildhälfte grau gefasste Flächen, lichtet sich die Zeichnung gegen den rechten Rand hin auf. Mit eingehender Betrachtung werden menschliche Gestalten im pflanzlichen Dickicht erkennbar: weibliche Figuren in stehender oder liegender Haltung und eine menschliche Gestalt, die an den Musikanten in der Darstellung „Flötenspieler (Europäer / Poschiavo)“ (1979, Kunstmuseum Luzern) erinnert. „Als Grenzgänger zwischen verschiedenen Realitäten werden die Figuren zu Boten einer hermetischen Innenwelt, der gegenüber sich Heiner Kielholz wiederholt öffnete“, umschreibt sie Stephan Kunz im Katalog zur Ausstellung im Bündner Kunstmuseum 2014. Betont wird das Visionenhafte durch die Wahl der Medien: Kielholz kombiniert feine Bleistiftzeichnungen mit Tuschekreisen in zurückhaltender Farbigkeit von Grün, Violett, Rot und Gelb.

Der Künstler widmet sich Werkgruppen, in denen er über die Jahre immer wieder auf gleiche Themen zurückkommt. Beispielsweise greift er seine Frauenfiguren wiederholt auf, und wie im vorliegenden Sammlungsbild sind es oftmals ab- oder in sich gekehrte Gestalten (vgl. „Sitzende Frau“, Inv.-Nr. 3279, und „Sitzende Frau“, Inv.-Nr. 3315). Auch das Ornamentale ist ein wiederkehrender Aspekt in Kielholz‘ Œuvre. Beschränkt sich in der Interieurdarstellung „Arezzo“ (Inv.-Nr. 3502) die Verzierung auf architektonische Elemente, fliesst sie in „Ranken und Blumen“ (Inv.-Nr. 6055) über braunes Packpapier und nimmt die volle Bildfläche ein. In „Suvereto“ (1978), das auf Kielholz‘ längeren Aufenthalt im toskanischen Anbaugebiet von Kork, Wein und Olivenöl hinweist, taucht das stärker an die Kreisform gebundene Pflanzenwerk auf. „Der Busch“ schliesslich vereint menschliche Gestalten mit ornamentalen Spielereien, und Kielholz gelangt zu einer besonderen Wirkungskraft, die der Kunsthistoriker Gian Casper Bott im bereits zitierten Katalog folgendermassen umschreibt: „Kielholz‘ Arbeiten sind im reichen Spannungsfeld zwischen der Darstellung von sichtbar Wirklichem und der ungegenständlichen, abstrakt wirkenden Figuration angesiedelt; die beiden Pole sind zuweilen im gleichen Werk aktiv und tragen zu dessen unverwechselbarer Aura bei.“

Karoliina Elmer

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