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Urs Frei, Ohne Titel, 1998
Lackfarben auf Stoff, 47 x 30 x 8 cm, Plastik/Skulptur
Aargauer Kunsthaus Aarau / Anonyme Schenkung

Ausgangspunkt von Urs Freis (*1958) Arbeiten sind einfache, alltägliche Gegenstände, die an Funktionalität eingebüsst haben und ein Schattendasein als ausrangierte Ware oder gar Abfall führen. Dieses Material – beispielsweise alte Beutel, Plastikeimer, Karton, Stoff- und Holzreste oder Altpapierbündel – sammelt Frei in seinem Atelier. Gestapelt, zusammengeschnürt, vernäht, ausgestopft und fast konsequent mit Farbe versehen, verarbeitet er es zu sperrigen, kruden Objekten, die als körperhafte Gebilde an der Wand hängen, von der Decke baumeln oder sich auf dem Boden ausbreiten. In der Sammlung des Aargauer Kunsthauses befinden sich über zehn Werke des in Zürich wohnhaften Künstlers. Ihre unterschiedlichen Entstehungszeiten – das älteste ist von 1990, das jüngste von 2011 – erlauben es, die zentralen Aspekte in Freis Arbeit herauszustellen.

Im Jahr 1998 entsteht die titellose Arbeit, für die Frei ein bemaltes Tuch – eine Leinwand vielleicht – zu einem Wandobjekt komprimiert. Auf den ersten Blick fühlen wir uns an einen aufgerollten Feuerwehrschlauch erinnert. Wir erkennen das charakteristische Signalrot, es ist jedoch durchbrochen von sattem Orange und knalligem Blau. Wie mit einem nassen Stück Stoff, das man zusammenrollt, um es auszuwringen, ist Frei mit dem Tuch umgegangen. Die resultierende Schlauchform hat er zu mehreren Teilstücken abgeschnürt, die einzelnen Segmente bemalt und sie zu einer unregelmässigen Spirale aufgerollt – ein „Zwischenobjekt“, wie es Christophe Cherix im Katalog zu Freis Auftritt an der Biennale in Venedig 1997 treffend bezeichnet. Als solches stellt das Werk weder reine Malerei noch eindeutige Plastik dar. Der Stoff, der klassische Bildträger der Malerei, ist hier zusammengeknautscht zu einem Objekt. Dem ähnlich kommt die Farbe nicht als künstlerisches Hilfsmittel zum Einsatz, sondern bildet eine Objekteigenschaft. Gleichzeitig entfalten die Farben eine abstrahierende Wirkung. Sie legen sich wie Farbhäute über das Gebilde und lenken von dessen dinghaftem Charakter ab. Dem gepressten, verschnürten Material liegt etwas Prekäres inne. Es sieht nach Bastelei aus, roh und unkünstlerisch – ein Eindruck, der aber durchaus beabsichtigt ist, beispielsweise indem Frei seine Farben aus der Do-it-yourself-Abteilung der Migros bezieht. Es ist diese Regellosigkeit und die offene Struktur des bricolagenartigen Arbeitens, die Frei als singuläre Position auszeichnen. In ihrer Unvollkommenheit und ihrer Formlosigkeit entziehen sich die Objekte einer Deutung. Und indem Frei vermeintlich fertige Stücke zu anderen Zwecken weiternutzt, sie in anderen Arbeiten aufgehen lässt oder in Teilen zu neuen Assemblagen verwertet, setzt er einen Prozess stetiger Verwandlung in Gang, welcher den Warencharakter des Kunstwerks infrage stellt.

Yasmin Afschar

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