Öl auf Holz, 46 x 38 cm
Das Gemälde „Dorfweg mit Blick auf Kirche“ des französischen Landschaftsmalers Stanislas Victor Edouard Lépine (1835–1892) findet 1958 dank des Legats von Dr. Max Fretz in die Sammlung des Aargauer Kunsthauses.
Das mit Öl auf Holz gemalte Werk zeigt einen Dorfausschnitt. Von der unteren rechten Ecke in das Bildinnere zieht sich ein heller Weg, auf dem ein Mädchen und ein Herr spazieren. Das gewählte Hochformat sowie die an beiden Seiten der Strasse führenden Mauern und Zäune erzeugen einen Sog in die Tiefe und leiten den Blick der Betrachtenden zur im Titel erwähnten Kirche, deren Turm die Szene überragt.
Lépine zieht 1859 nach Paris und lässt sich dort im Viertel Montmartre nieder. Er begegnet Camille Corot (1796–1875), der ihn 1860 in sein Atelier aufnimmt. Lépines Bewunderung für seinen Lehrmeister widerspiegelt sich in Kopien verschiedener seiner Werke. In seinem originär eigenen Œuvre konzentriert sich Lépine auf seine nächste Umgebung: Seine Motive findet er in Ansichten der Seine oder in Caen, der Heimatgegend des Künstlers, wo er jeweils die Sommermonate verbringt. Im Gegensatz zur Wertschätzung seiner Künstlerfreunde werden Lépines Darstellungen von der Öffentlichkeit kaum beachtet.
In der vorliegenden Studie zeigt sich Lépines Vorliebe für ruhige, unspektakuläre Bildinhalte. Aufgrund des kräftigen Kolorits – das satte Grün setzt sich kontrastreich von den hellen Partien ab – wird die Entstehungszeit auf die Jahre zwischen 1860 und 1870 angesetzt, als Lépine noch stark durch das Schaffen Corots geprägt ist. Ähnlich wie der Schweizer Maler Pierre Pignolat (1838–1913, vgl. Inv.-Nr. 212) erarbeitet Lépine in seinem Spätwerk Landschaften, die er auf einen einheitlichen Grundton abstimmt. Sein Gespür für die Wiedergabe des Lichts erlaubt es ihm, auch mit schmalem Farbspektrum die feinsten Nuancen auszumachen. Die Kunstgeschichtsschreibung erkennt in Lépine einen Vorläufer der Impressionisten –im Vergleich zu den Künstlern der Schule von Barbizon bedient er sich aber einer noch lichteren Palette.
Karoliina Elmer