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Taiyo Onorato Nico Krebs, Feather Stamp, 2015
Fotografie, Silbergelatineabzug auf Papier, 63 x 50 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Taiyo Onorato und Nico Krebs

Auf zu neuen Entdeckungen hiess die Devise, der sich Taiyo Onorato (*1979) und Nico Krebs (*1979) nach längerer Zeit, die sie vorwiegend in Berlin verbracht hatten, 2013 verschrieben. Schon 2006 hatten die Künstler – beide Absolventen der Fotoklasse der Zürcher Hochschule der Künste – Neugier geweckt, als sie, wie viele grosse Fotografen vor ihnen, quer durch die USA reisten. “The Great Unreal“, das Ergebnis dieses in langen, gewollt oberflächlichen Etappen gelebten Road Trips, machte die beiden bekannt.

2013 folgte, was später den Titel “Eurasia“ erhielt, und diesmal führte die Reise strikt nach Osten. Bestmöglich vorbereitet bis hin zu einem Offroad-Kurs, setzten sich die Künstler in ihren Toyota und querten auf dem Landweg vierzehn Staaten von der Ostschweiz bis in die Mongolei. Mit diversen analogen Kameras hielten sie auf ihrer Fahrt durch Osteuropa und die einstige Sowjetunion nicht nur die weite Landschaft, spezielle Begegnungen und die für unsere Augen wunderliche postkommunistische Repräsentationsarchitektur fest; sie dokumentierten auch alles, was ihnen sonst irgendwie skurril vorkam und was im weitesten Sinn skulpturale Qualitäten besass. Der künstlerische Fallout dieser Reise war dann erstmals 2014 an den Art Statements in Basel zu sehen, gefolgt 2015–16 von einer grossen Ausstellung im Fotomuseum Winterthur, die nebst Fotografien auch 16mm-Filme sowie zwei Archiskulpturen umfasste. Jedes Sujet konnte für sich bestaunt und mit etwas Spürsinn entschlüsselt werden. Die wahre Kraft aber lag im motivischen Miteinander, das eine ebenso authentische und repräsentative wie letztlich trotz allem höchst subjektive Sicht auf Gebiete eröffnete, die nicht weniger als der “Westen“ mit Historie, Mythen und Entdeckergeschichten aufgeladen sind, uns infolge der geringeren medialen Langzeitexponierung aber weit weniger vertraut sind. Verknüpfen liess sich dies mit der Frage nach der Essenz des Fotografierens auf Reisen in einer Zeit, in der jeder Flecken Erde längst ein Google-Geo-Tag trägt und wir alle, angetrieben durch die Bilderflut im Netz, mehr denn je auch selbst konstant fotografierend unterwegs sind. Eine mögliche Antwort auf diese Entwicklung gaben die Künstler, indem sie unter die Szenen, die sie unverändert an den originalen Schauplätzen fotografiert hatten, Beispiele aus einer später entstandenen Werkgruppe mischten. Diese zeigen Artefakte aus dem Ethnologischen Museum Berlin, wobei
dank Sondererlaubnis Bilder der eigenen Reise als Hintergrund dienen durften. Nur wer genau hinsieht, erkennt die List, und nur wer weiterforscht, versteht den wegen der ausgehebelten Proportionen oft nicht auf Anhieb erkennbaren Zweck der Objekte. So diente der wie eine Jurte zusammengeschnürte Stempel aus Federkielen in “Feather Stamp“ einst dem Lochen von Brotteig sowie, dank spezifischem Muster, der Zuweisung zum jeweiligen Bäcker. Mit Objekten wie diesen richteten die Künstler den Blick auf die Wurzeln des Kulturaustausches zwischen Ost und West und hoben ihr fotografisches Projekt auf die Ebene der postkolonialen Debatte.

Astrid Näff, 2018

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