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Sylvie Fleury, Glamour, 1996
Neon, Acrylglasplatte Transformator, Schriftgrösse 21 x 130 x 6 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Sammlung Ringier, Schweiz
Fotocredit: Sammlung Ringier

Eigentlich spricht die Arbeit „Glamour“ von Sylvie Fleury (*1961) für sich. In perfekter Analogie von Form und Inhalt strahlt die Neonschrift die Wirkung aus, die das Wort umschreibt: betörende Anziehung, schimmernde Abgehobenheit, Eleganz.

Knapp und konzis resümieren die sieben Lettern jedoch auch, womit man die Genfer Künstlerin und ihr Werk spontan assoziiert: Luxus und Makellosigkeit, ein Hauch von Naughtiness und internationaler Erfolg. Sylvie Fleury als Glamour Girl zu kategorisieren, wie dies angesichts ihres mehrheitlich um Mode, Kosmetika, Markenshopping und weitere Fetischobjekte kreisenden Schaffens oft reflexartig passiert ist, greift jedoch zu kurz. Die offene junge Genfer Szene, in der sie sich ab der Mitte der 1980er-Jahre nach einem zweijährigen Aufenthalt in New York bewegte, hat sie schon früh mit der Praxis des Zitierens und Appropriierens jenseits der simplen Verschiebung auratischer Artefakte in den Kunstkontext im Sinne des Ready Made in Berührung gebracht. In der Art von John Armleder (*1948), dessen Arbeiten sie eine Zeitlang fotografierte und mit dem sie mehrfach ausgestellt hat, zielt ihre aneignende Geste auf ein weit umfassenderes Referenzsystem. Besonders die jüngere – und von Fleury gendersensibel rezipierte – Kunstgeschichte wird darin als ein allzeit verfügbares Repertoire für die Auseinandersetzung mit ikonischen Werten begriffen. Das gleiche gilt für die mit Glanz und Glamour verbundenen oder zumindest mit glanzvollen Versprechen beworbenen Prime-Produkte der Warenwelt, die auffallend häufig auf äusseren Schein und Oberflächlichkeiten reduzierbar sind.

Aus dieser Engführung von Kunst, Kultur, Konsum und Kommerz bezieht die Arbeit „Glamour“ weitere Bedeutungen. Als Leuchtobjekt ist sie Teil der Geschichte der Lichtkunst, die ihrerseits auf die Geschichte der Elektrifizierung zurückgeht, insbesondere jene der Städte. Ein erster Gedanke führt von da zu den Kinos, Bühnen und Laufstegen, sprich zum Glamour der Stars. Ein anderer weist zur Werbung, welche die Welt mit dem Aufkommen der Leuchtstoffröhre stark veränderte, was sich auch in der Kunst niederschlug. Hier lässt Fleurys Werk speziell an Bruce Nauman (*1941) denken, der 1967 von einer Leuchtreklame zu seiner ersten Lichtschrift inspiriert wurde und daraufhin mit Aphorismen rund um generische Begriffe wie need, desire, hope oder pleasure zu arbeiten begann. Auch das Wort glamour besitzt diese generische Komponente, ebenso Begriffe wie envy, eternity oder egoiste, auf die man bei anderen Schriftarbeiten von Fleury trifft. Wie bei Nauman erzeugen diese Worte eine bestimmte emotionale Wirkung. Darüber hinaus sind es aber auch Markennamen – konkret: Namen von teuren Parfüms. Entnommen hat Fleury sie den gestylten Verpackungen oder den edlen Kampagnen in Hochglanzmagazinen, samt beibehaltener Typografie. Zusammen mit Beautytipps wie „Moisturizing Is the Answer“ oder Maximen wie shield, purify und hydrate spiegeln sie den Kanon der Imperative für ein strahlendes Aussehen und suggerieren, dass ein blendender Auftritt eine Frage einer Haltung ist, die man sich käuflich zulegen kann und mit der man sich wahlweise kraft des jeweiligen Dufts oder luxuriösen Pflegesets umhüllt.

Auch das Wort glamour entstammt – erkennbar am Schriftbild – einem Lifestylemagazin, allerdings nicht dessen Inhalt, sondern dem Cover. In grosser Zahl hat Fleury seit den frühen 1990er-Jahren Titelseiten populärer Journale appropriiert und sie mithilfe verschiedenster farbfotografischer Verfahren in Gruppen, als Teil einer losen Blow-up-Serie von Unikaten oder auch in Form von Editionen reproduziert. In einigen Fällen, die dem für Fleury gleichermassen wichtigen Thema des Car-Tuning zugeordnet sind, benutzte sie dafür Ausgaben des Playgirl oder Motorsporthefte. Meist aber griff sie zu Frauenmagazinen, und zwar, wenig überraschend, zu den unangefochtenen Klassikern: Vogue, Harper’s Bazaar, Cosmopolitan, Elle, Marie Claire – und Glamour.

Astrid Näff, 2022

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