Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
X
Wilhelm Gimmi, James Joyce, 1947 - 1948
Öl auf Leinwand, 46.3 x 38 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern / Dauerleihgabe im Aargauer Kunsthaus Aarau
Fotocredit: Jörg Müller, Aarau

Wilhelm Gimmi wurde 1886 in Zürich geboren und arbeitete zunächst als Lehrer. 1908 ermöglichte ihm ein Stipendium den Besuch der Académie Julian in Paris. 1910 kehrte er in die Schweiz zurück und erwarb ein Diplom als Zeichenlehrer an der Kunstgewerbeschule von Zürich (1911). Im selben Jahr trat er dem von Hans Arp (1886–1966), Walter Helbig (1878–1968) und Oskar Lüthy (1882–1945) gegründeten Modernen Bund bei und liess sich als freier Künstler in Paris nieder. Beides sollte sich als gute Wahl erweisen, denn es gelang ihm schon bald, seine Werke auszustellen; zunächst noch in der Schweiz und in Deutschland, dann zunehmend auch in Frankreich. Ein Höhepunkt dieser frühen Jahre bildete sicher die Teilnahme an der als Armory-Show bekannt gewordenen International Exhibition of Modern Art von 1913 in drei Städten der USA. 1920 wurde er in den Vorstand des Salon d’Automne von Paris gewählt. Über seine Teilnahme am Salon des Indépendants festigte er auch seine Position in der Avantgarde der französischen Metropole. Als die deutsche Armee einmarschierte, kehrten er und seine jüdische Frau, Cécile Abramsky, in die Schweiz zurück und liessen sich in Chexbres am Genfersee nieder. Mit seiner (internationalen) Karriere war es damit vorbei. Gimmi erhielt zwar noch Aufträge für Wandbilder und 1962 den Kunstpreis der Stadt Zürich, doch gehörte er, der sich zeitlebens nicht auf die ungegenständliche Malerei eingelassen hatte und sich auch nicht in den Zirkeln der Schweizer Kunstzentren bewegte, nicht mehr zu den prominenten Künstlern seiner Zeit.

Die Anfänge von Gimmis Ausbildung in Paris fielen mit der Entstehung des Kubismus zusammen. In seiner eigenen, zu Beginn der 1910er Jahre entwickelten künstlerischen Sprache, knüpfte der junge Maler an zwei Elemente an, aus denen sich der Kubismus herausgelöst und entwickelt hatte: am Interesse für Cézanne und am Fauvismus. Seine Gemälde aus dieser Zeit zeigen eine Anregung durch die vor- und frühkubistischen Landschaften von Georges Braque (1882–1963) oder Pablo Picasso (1881–1973), in seinen Stillleben und Akten ging er von der Malerei der Fauves aus. Er blieb jedoch in der Behandlung der Form gemässigt und ging koloristisch seinen eigenen Weg. Seine Palette ist einerseits reicher als diejenige der Kubisten und andererseits milder als diejenige der Fauvisten. Was seine Malerei schon sehr früh auszeichnete, ist ein roher, scheinbar nachlässiger Pinselstrich. In Gimmis späteren Werken kann dadurch der Eindruck einer allgemeinen Geringschätzung entstehen, nicht seinem Sujet, sondern seiner Zeit gegenüber.

Zwischen 1942 und 1947/1948 Jahren malte Gimmi mehrere Porträts von James Joyce (1882–1942). Gimmi hatte den irischen Schriftsteller in Paris zwar flüchtig kennengelernt, die Bildnisse entstanden jedoch, ohne dass Joyce von ihnen erfuhr und aufgrund von Skizzen, die Gimmi seinerzeit heimlich in einem Café gemacht hatte. Der Maler zeigt den wohl berühmtesten Schriftsteller seiner Zeit als alten Mann, der in sich zusammengesunken am Meer sitzt, abgekämpft und desillusioniert, mit einem abgetragenen Filzhut auf dem Kopf und erloschenem Blick. Kein geistiger Funke scheint aus diesem Gesicht zu leuchten, der Mund, einst sprudelnder Quell einer überragenden Dichtkunst, ist eingefallen und verkniffen, die beiden Hände, die doch ein reiches und revolutionäres Werk geschaffen haben, liegen wie leere Handschuhe da, zwei unnütze und formlose Pfoten. Und doch ist nicht alles abgestorben in diesem Bild. So, wie vom Auberginenton des Kittels, dem kräftigen Gelb des Sandes und dem milchigen Gelb des Gilets ein leichtes Leuchten ausgeht, ist in diesem alten Körper ein feines Leben zu erkennen. Der Dargestellte scheint zu sinnen und zu lauschen. Es ist, als wenn dem Dichter das Lärmen und Treiben des Menschen zu einem undeutlichen Geräusch zerfliesse, dem Rauschen des Meeres vergleichbar.

Hans-Peter Wittwer

X