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Hans Schärer, Madonna, 1976
Öl, Textil (Leinwand), Lackfarbe, Bostitch, Kieselsteine (Zähne), Spachtelmasse auf Hartfaserplatte (Pavatex), 91 x 80 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Erben Werk Hans Schärer / ProLitteris, Zürich
Fotocredit: René Rötheli

Das Aargauer Kunsthaus verbindet eine langjährige Geschichte mit dem Luzerner Künstler Hans Schärer (1927–1997). Sein Potential wurde bereits vom ehemaligen Kunsthausdirektor Heiny Widmer früh erkannt und gefördert. 1982 richtete er Hans Schärers erste Retrospektive aus. Heute verfügt das Aargauer Kunsthaus über einen beachtlichen Bestand an Schärer-Werken, welche die Diversität eines Schaffens veranschaulichen, das jenseits eines normativen Kunstverständnisses angesiedelt ist. Mit dem jüngsten Ankauf konnte die Sammlung um ein weiteres wunderbares Madonnenbild ergänzt werden. Diese Gruppe von Werken zählt zu Hans Schärers berühmtesten. Während mehr als zehn Jahren war er einem regelrechten Madonnen-Kult verfallen und schuf mit obsessiver Energie um die 50 Arbeiten mit diesem Sujet.

Wie es für Hans Schärers Madonnen-Gemälde charakteristisch ist, weist der Neuzugang Spuren etlicher Übermalungen sowie eingearbeitetes, überdecktes und aufgeschlitztes Material auf. Die gesamte Bildfläche – mit Ausnahme der Kopfpartie – ist von einem pastosen, verkrusteten Farbauftrag überzogen. Darin angelegt ist das Motiv: eine weibliche Gestalt, deren kreisrunder Kopf auf einem senkrecht aufragenden Oberkörper thront. Die rot akzentuierten, glühenden Augen fixieren die Betrachtenden aus der Tiefe des Bildträgers heraus und verbinden sich mit dem ähnlich geformten, zähnefletschenden Mund zu einem furchteinflössenden Anblick. Hans Schärers Madonnen weisen über das positiv konnotierte Madonnenbildnis der christlichen Ikonografie hinaus und sind inhaltlich mit den Astarten und Gorgonen verknüpft; mit aus dem Altertum stammenden Göttinnen, die sowohl für Liebe und Fruchtbarkeit als auch für Zerstörung stehen. Formal bestechen alle Madonnenbilder des Künstlers durch eine erstaunlich schlichte Radikalität. So zeigt diese Madonna eine reduzierte und kontrastreich eingesetzte Farbskala, die zusammen mit dem Verzicht auf ästhetisch gefällige Details zur Intensität des Bildausdrucks beiträgt. Durch das vermutlich über mehrere Jahre andauernde Überarbeiten des Bildes ist der Gestalt zudem eine denkmalhafte Monumentalität eigen, der eine sakrale Aura innewohnt.

Nicole Rampa

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