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Wilhelm Lehmbruck, Mädchenkopf auf schlankem Hals, Um 1913/14
Bronze, 40 x 26.5 x 14.8 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Legat Dr. Othmar u. Valerie Häuptli
Copyright: Aargauer Kunsthaus
Fotocredit: Brigitt Lattmann

Der in Duisburg geborene Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) zählt in der Kunstgeschichtsschreibung zu den bedeutenden Vertretern der expressionistischen Plastik. Als einziger deutscher Bildhauer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlangt Lehmbruck bereits zu Lebzeiten internationales Ansehen. Dank der umfangreichen Werkgruppe deutscher Expressionisten aus dem Besitz von Dr. Othmar und Valerie Häuptli gelangen 1983 drei Bronzearbeiten als Legat in die Sammlung des Aargauer Kunsthauses.

Nach dem Besuch der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule studiert Lehmbruck von 1901 bis 1906 an der dortigen Akademie in der Meisterklasse Carl Janssens (1855–1927). Er beteiligt sich an Ausstellungen in seiner Heimat und auch in Paris, wo er von 1910 bis 1914 lebt. Die eklektizistischen Arbeiten aus dieser Phase zeugen von der tastenden Suche Lehmbrucks nach einer eigenständigen Formensprache, zu der er 1911 mit der Schaffung der Knienden durchdringt. Bereits in dieser Skulptur zeigt sich die Längung der Figuren als formales Merkmal seines Œuvres. Darüber hinaus verfolgt Lehmbrucks Gestalten die Absicht, innerer Bewegtheit Ausdruck zu verleihen. Er gelangt zu in sich gekehrten, verletzlichen Figuren, die im Gegensatz zu den emotional expressiveren Darstellungen des von ihm bewunderten Zeitgenossen Auguste Rodin (1840–1917) stehen.

In der Plastik „Mädchenkopf auf schlankem Hals“, von Lehmbruck auch nur als „Frauenkopf“ oder „Mädchenkopf“ bezeichnet, manifestiert sich die für den Bildhauer charakteristische Überlängung insbesondere in der grazilen Gestaltung des Halses. Im Gegensatz zur Arbeit „Mutter und Kind“ (vgl. Inv.-Nr. S3895) ist die Darstellung nicht als Fragment konzipiert, sondern Lehmbruck erschafft sie im Zusammenhang mit der Figur der „Grossen Sinnenden“ (1913/14). Von besagtem Werk lässt der Bildhauer eine Version aus Kunststein giessen, aus der er autonome Teilfiguren wie den Torso ohne Kopf, eine Büste und einen Kopf weiterentwickelt. Mit der Fragmentierung des Körpers leistet Lehmbruck einen eigenständigen Beitrag zur formalen Behandlung des Menschen in der Bildhauerei. Zusätzlich lässt sich am vorliegenden Werk Lehmbrucks Interesse an der Wirkung unterschiedlichster Materialien exemplarisch aufzeigen. Wendet sich der Bildhauer während der Düsseldorfer Ausbildungszeit klassischen Werkstoffen wie Gips, Ton, Marmor und Bronze zu, experimentiert er in Paris zusammen mit seinem Freund Constantin Brancusi (1876–1957) mit avantgardistischen Errungenschaften wie Stein- und Zementguss. Heute sind von der vorliegenden Arbeit eine verschollene Marmorfassung und eine Version in Terracotta, ein Stucco- und Steinguss sowie mehrere Bronzen bekannt, von denen einige noch zu Lebzeiten des Bildhauers gefertigt wurden. Unser Exemplar ist mit dem rautenförmigen Giesser-Stempel „A. Valsuani cire perdue“ versehen und ist postum entstanden.

Karoliina Elmer

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