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San Keller, Nothing to declare, 2007
Holz, Beschläge, Schaumstoffteile (Kunsttransportkiste), Aussenm./mit Kufen 216.5 x 82 x 54 cm, Objekt
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung San Keller

„The artist is present. Der Künstler ist anwesend.“ Im Kunstbetrieb zählt dieser Satz zu den Klassikern auf Einladungen zu Presseterminen und Vernissagen. Er steht für die Möglichkeit der persönlichen Begegnung und des direkten, authentischen Austauschs. Er steht aber auch für den Kult um die Person, für den Starrummel, der die Gegenwartskunst seit einiger Zeit aufbläht. Humorvoll und nahbar steuert San Keller (*1971) solchen Dingen in seinem Schaffen entgegen. Als genauer Beobachter und Beteiligter der Szene spielt er mit deren Klischees und füllt Leere wieder mit Inhalt, gewürzt mit einer Prise Subversion. Bekannt ist San Keller vor allem für seine Auftritte, bei denen er bescheiden die Rolle des Dienstleisters einnimmt. Etwa indem er Museumsbesucher eine Treppe hinaufträgt oder ihnen nach einem ausgewählten Kunstwerk die Haare schneidet. Nicht purer Altruismus, sondern das Nachdenken über die Mechanismen des Systems Kunst ist dabei sein Antrieb. Das Fehlen eines Lifts wirkt exkludierend; ein stilsicheres Styling – und sei es ein Undone-Look – ist längst Pflicht.

Zum Blick auf den Kunstbetrieb gehört bei San Keller auch der regelmässige Reality Check bezüglich der eigenen Position. Dabei ist Scheitern nicht ausgeschlossen, wird aber künstlerisch fruchtbar gemacht, wie die Haarschneideaktion über ihren Titel „What Would I Do If I Failed As an Artist“ (2005) exemplarisch belegt. Bald schon dreht Keller den Spies jedoch um und überschreibt 2007 seine zweite Einzelausstellung in der Galerie Brigitte Weiss in Zürich aufmunternd und karriereweisend mit einem „This Way Keller“. In diesem Kontext ist auch die Arbeit „Nothing to Declare“ erstmals zu sehen. Der Performer, zu dem der Künstler als Dienstleister zugleich wird, hat sich zurückgezogen oder vielmehr: er hat sich in seine eigene Kunstfigur verwandelt. Diese Figur ist durchaus physisch zu denken, als Abformung des Künstlers, als Skulptur gewordener 3D-Scan, als Kunstobjekt. Ein solches wiederum gilt es in Zeiten des globalisierten Kunstalltags von Messe zu Messe, von Ausstellung zu Ausstellung zu transportieren, kurz: zu Erfolg. Dabei will das teure Werk natürlich vorschriftsgetreu geschützt sein. Eine Transportkiste muss her, und zwar, wie beim Kunsttransport üblich, eine Anfertigung nach Mass, Fixierung und Polsterung inklusive. Keep dry, and handle with care!

Im Fall von „Nothing to Declare“ bildet jedoch nicht die (inexistente) Skulptur das Exponat. Die Kiste ist skulpturaler Selbstzweck, verweist also zunächst einmal auf sich selbst. Antikunst sozusagen, ein Lehrstück zur Bedeutung des Nichts. Zwischen Kunst- und Gebrauchsobjekt oszillierend, irritiert sie durch ihre Gegenwart im Ausstellungsraum und verleitet listig wohl manchen Besucher zur Schlussfolgerung, der Künstler oder seine Helfer seien mit dem Aufbau der Arbeit nicht rechtzeitig fertig geworden. Oder hat man sich allzuweit vorgewagt und ist aus Versehen ins Depot geraten? So verweist die Arbeit in zweiter Instanz wieder über sich hinaus zurück in den Kunstbetrieb, und zwar nicht nur in den internationalen Leihverkehr samt professionellem Transport und korrekter Verzollung, sondern überdies in die internen institutionellen Abläufe. Erst das Werkschild an der Wand entlarvt die List des Künstlers und deklariert die vermeintlich leere Kiste zu Kunst respektive zu Kunst über Kunst. Und schon beginnt die Aura des Performers wieder zu wirken, schon markiert San Keller trotz Absenz wieder Präsenz.

Astrid Näff

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