Acryl auf Leinwand, 280 x 140 cm
Das Bild ist rot. Keine Spuren des Malprozesses sind sichtbar. Das Auge des Betrachters wandert auf der Oberfläche hin und her, ohne an einem bestimmten Punkt in die Tiefe zu gelangen. Alles ist und bleibt an der Oberfläche.
Die künstlerische Laufbahn des in Neuchâtel aufgewachsenen Olivier Mosset (1944) beginnt um 1962 in Paris, wo er ab 1965 bis zu seinem Umzug nach New York wohnhaft ist. Als Assistent der damals international bereits bekannten Schweizer Künstler Jean Tinguely und Daniel Spoerri bewegt er sich im Umfeld der „Noveaux Réalistes“, die in Abkehrung zum vorherrschenden Abstrakten Expressionismus und dem Informel – Kunstströmungen, die ihnen zu intuitiv und selbstbezogen sind – nach neuen Wegen suchen, um die Realität in die Kunst einzubinden. Prägend ist für Mosset die Zusammenarbeit mit den gleichgesinnten Künstlerfreunden Daniel Buren, Michel Parmentier und Niele Toroni, die er in Paris kennenlernt. Unter dem Namen BMPT (nach den Anfangsbuchstaben ihrer jeweiligen Nachnamen) versuchen sie 1967 in Gemeinschaftsaktionen das traditionelle Verständnis von Urheberschaft zu unterlaufen und die gängige Auffassung von Originalität und Authentizität des Kunstbetriebs auszuhebeln. Es sind die in diesem Zeitraum erlangten Überzeugungen, die den Grundstein dafür legen, was für Mossets Schaffen bis dato kennzeichnend ist: die Produktion in Serien und das Minimieren einer persönlichen Handschrift mittels einer möglichst minimalistisch-abstrakten Bildsprache. Markieren Mossets „Kreisbilder“ den Anfang – während acht Jahren schafft er rund 200 Werke mit je einem schwarzen Kreis im Zentrum eines weissen Quadrats. So radikalisiert sich seine künstlerische Position nach seiner Übersiedlung nach New York 1977. In der Absicht, die Autonomie und Neutralität der Malerei weiter voranzutreiben, – um gewissermassen zum „Nullbild“ zu gelangen – entstehen im Austausch mit in New York lebenden Kunstschaffenden des „Radical Painting“ während fast zehn Jahren ausschliesslich grossformatige, monochrome Tafeln. Darunter „Untitled“ (1980/81), das sich als eine von zwei Arbeiten aus dieser Werkgruppe in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses befindet. Es sind Gemälde, die ohne Motiv, Komposition und Kontrast auskommen und je einem einzigen Farbton gewidmet sind. Eine Malerei, die sich rein auf Fläche und Farbe und damit auf ihre Grundelemente rückbesinnt. Im Greenbergschen Sinn (Clement Greenberg (1909–1994) postuliert 1960 die Flachheit des Bildträgers sowie das Pigment als die unentbehrlichste Konvention der Malerei) werden diese Parameter nicht überwunden, sondern als Essenz der Malerei anerkannt. Gleichzeitig demontiert diese Art der Malerei die verherrlichende Vorstellung des künstlerischen Erfindungsgeistes, denn der Künstler tritt hinter das Werk zurück. „Ich sehe meine Bilder nicht einmal als MEINE Bilder. Ich betrachte sie als Werke. Sie nehmen eine eigene Identität an“, so Mosset 2015.
Der grossformatigen, monochromen Malerei bleibt der Künstler bis heute treu, auch wenn die Monochrome ab Mitte der 80er Jahren teils geometrisch-abstrakten Bildern weichen. Ab der Jahrtausendwende kommt das Medium Film hinzu, sowie Motorräder und Oldtimer als Teil von installativen Settings. Der seit den 1990er Jahren in Tuscon, Arizona lebende Künstler, der 1990 die Schweiz an der Biennale in Venedig repräsentiert, macht in seinem Schaffen deutlich, dass die Bedeutung eines Werks vor allem auch eine Frage des Kontextes ist, in dem es wahrgenommen und interpretiert wird. Im Rückblick auf die in New York entstanden Monochrome meint er 2019: „Ich versuchte im Wesentlichen, Gemälde zu schaffen, die genau das waren: Gemälde. Und die Malerei ist letztlich eine Praxis. Eine formale Praxis.“ Die Bedeutung, das Sein oder Nichtsein wird dem Betrachter überlassen. „Es kann dies oder das sein.“, meint Mosset. Eines ist das vorliegende Werk auf alle Fälle: rot.
Nicole Rampa