Acryl auf Baumwolle, 245 x 287 cm
„Paravent“ wird 1968 in der Ausstellung „Wege und Experimente“ im Zürcher Kunsthaus gezeigt und macht seinen Urheber, Pierre Haubensak (*1935), zu einem Hoffnungsträger für die Weiterentwicklung der konkreten Kunst. Das Gemälde bleibt nach der besagten Schau im Depot in Zürich eingelagert, bis der Künstler es 2004 der Sammlung des Aargauer Kunsthauses vermacht. In den 1990er-Jahren stösst Haubensak mit seiner Werkgruppe Tetras auf breite Resonanz: Als vielfach variiertes Motiv treffen helle oder dunkle Farbtöne in einer gleichmässig in vier Teile gegliederten Bildfläche aufeinander. Neben Zeichnungen und Druckgrafik verschafft sich Haubensak mit Kunst am Bau in der Schweiz zusätzlich einen Namen. Er fertigt u.a. von 1964 bis 1965 das fünfteilige Wandbild für das Christoph-Merian-Schulhaus in Basel, setzt 1980 ein Triptychon im Bahnhofbuffet Basel um und 1994 ein Wandfries in der Zürcher Zentralbibliothek.
Der Künstler wächst als Sohn einer Hotelierfamilie in der West- und Zentralschweiz auf. Nach dem Besuch der Ecole des Beaux-Arts in Genf und einer abgebrochenen Grafikerlehre absolviert er die Kunstgewerbeschule in Basel. An seine Ausbildungszeit schliessen sich Jahrzehnte des Nomadentums. Haubensak lebt zunächst für einige Jahre in Paris, der führenden Weltmetropole der Kunst zu dieser Zeit. Mit dem Tod von Yves Klein (1928–1962) verliert Paris jedoch einen bedeutenden Protagonisten seiner Kunstszene und in den darauffolgenden Jahren zunehmend auch den Stellenwert als richtungsweisende Stadt der Kunst. Von 1961 bis 1969 wohnt Haubensak auf Ibiza und beginnt dort seine künstlerische Laufbahn. 1969 zieht er nach New York, wo er sich bis zu seiner Rückkehr in die Schweiz 1977 aufhält. Haubensak reflektiert die seinerzeit aktuellen Strömungen: Er setzt sich mit der amerikanischen Color-Field- und Hard-Edge-Malerei auseinander und wird nicht zum erhofften Erneuerer, sondern zum Überwinder der klassischen konkreten Kunst. Haubensak hält am Bild fest. Er findet zu einfachen geometrischen Formen, die er in kühler und sachlicher Manier schablonenhaft aufträgt. „Paravent“ steht neben einer weiteren Arbeit in der Sammlung aus der Werkgruppe „Doors of Perception“, „Gate“ (1970, vgl. Inv.-Nr. 6042), stellvertretend für diesen Aufbruch. Das aussergewöhnlich grosse Format des Gemäldes konfrontiert die Betrachtenden mit den intensiv leuchtenden Konträrtönen Rot und Grün. Die damals für den künstlerischen Gebrauch aufkommende Acrylfarbe, die durch seine Eigenschaften wie kurze Trockenzeit und Farbechtheit den veränderten Bedürfnissen der Farbfeldmalerei entspricht, ermöglicht eine unpersönliche Malweise. Mit einer Kombination von Flächenmalerei und dem Verfahren des „shaped canvas“ – der nicht rechteckigen Leinwand als Bildform – gelingt dem Künstler ein raffiniertes Gemälde, in dem die Form selbst zur Begrenzung der Farbe wird.
Karoliina Elmer