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Caspar Wolf, Well- und Wetterhorn mit Rosenlauigletscher, von der grossen Scheidegg her gesehen, 1774-1777
Öl auf Leinwand, 54 x 82 cm
Aargauer Kunsthaus / Schenkung aus dem Legat Kurt und Dora Kim-Frey
Fotocredit: Jörg Müller

Der einmalige Bestand an Werken von Caspar Wolf (1735–1783) im Aargauer Kunsthaus ist durch diese Schenkung um ein bedeutendes Stück bereichert worden. Das Gemälde ist Teil einer Landschaftsfolge, die Wolf im Auftrag des Berner Verlegers Abraham Weber malte. Dieses Alpenkabinett war bis 1779 im Hause des Auftraggebers in Bern und später in Paris geschlossen ausgestellt. Zwischen 1773–1776 bereiste der Maler jeweils in der Sommersaison zusammen mit dem Alpenforscher Jakob Samuel Wyttenbach die Schweiz, wobei Naturstudien entstanden, die im Atelier in Ölbilder umgesetzt wurden. In einem für die Zeit einmaligen und aufwendigen Verfahren wurden diese Gemälde während den darauffolgenden Reisen vor Ort, d.h. im Freien, geprüft und angepasst. Nach diesen Ölbildern wurden druckfähige Vorlagen gestochen, für die der Auftraggeber Weber einige vorzügliche Spezialisten heranzog. 1777 erschien unter dem Titel „Merkwürdige Prospekte aus den Schweizer Gebürgen und derselben Beschreibung“ das erste Heft dieser Schweizer Naturschönheiten. Für das Vorwort konnte Albrecht von Haller gewonnen werden. Jakob Samuel Wyttenbach (1748–1830), der als hervorragender Kenner der Geologie mit Caspar Wolf unter teilweise sehr beschwerlichen Bedingungen bis ins Hochgebirge vorgestossen war, konnte aus erster Hand die vorzüglichen bildlichen Schilderungen des Malers mit beschreibenden Texten ergänzen.

Die von Caspar Wolf hier gewählte Ansicht des Well- und Wetterhorns zeigt einen für den Maler typischen, den Blick klar eingrenzenden Landschaftsausschnitt, in dem sich markante Felsformationen, Gletschermassen und bewachsene Abhänge zu einer wie durch die Natur gegebenen Komposition fügen. Im Zentrum steht die Gebirgsmasse des Wellhorns, dessen Spitze wenig rechts der Bildmitte liegt und die fast den oberen Bildrand berührt. Das Wetterhorn mit seiner auf der rechten Seite beinahe senkrecht abfallenden mächtigen Flanke wirkt vom gewählten Standort aus dagegen eigentümlich klein. Welche raffinierten dramaturgischen Eingriffe Caspar Wolf vorgenommen hat, obwohl er wie die Alpenforscher seiner Zeit ein topografisch korrektes Bild anstrebte, wird bei Vergleichen mit fotografischen Wiedergaben des vorliegenden Landschaftsausschnittes klar. Der Maler staucht die Gebirgskette von beiden Seiten dezent zusammen, sodass die Berge steiler wirken und näher zusammenrücken. Das gesamte Massiv wird dadurch stärker akzentuiert aber auch dichter, der kompakte Ausschnitt wird malerischer. Wolfs Kolorit ist gedämpft. Milde Grün- und Brauntöne modellieren die Landschaft, die durch feine Blau-, Gelb- und Beigetöne in eine atmosphärische Lichtwirkung eingetaucht wird. Diese das Hochgebirge in der Gesamtwirkung eher mildernden malerischen Methoden stehen dabei neben fein dynamisierenden, dramatisierenden Effekten: So fällt der in Wirklichkeit flächig horizontal liegende Gletscher links des Wellhorns diagonal ab und ist die breite Frontseite des Wetterhorns geschlossen schneebedeckt, was bei derart steilen Felswänden im Sommer kaum je der Fall ist. Auch die um ihr Leben kämpfenden oder bereits abgestorbenen Wettertannen im Vordergrund und winzige, die Mächtigkeit des Gebirges akzentuierenden Staffagefiguren sind pittoreske Elemente, wie sie Wolf meist bei seinen Gemälden eingesetzt hat, kaum jedoch bei den frappierend modern wirkenden, feinen Ölstudien.

Brigitta Vogler-Zimmerli

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