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Sasha Huber, The Firsts – Vincent O. Carter (USA 1924–1983 Schweiz), 2023
Metallklammern auf Akustikboard, 100 x 100 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau

Die 1975 in Eglisau geborene Künstlerin Sasha Huber lebt und arbeitet seit 2002 in Helsinki, Finnland. Auf den Spuren ihres Grossvaters mütterlicherseits, der 1944 als autodidaktischer Künstler ein Kunstzentrum in Port-au-Prince (Haiti) mitbegründete, verfolgt Huber ihren Weg als Grafikerin und später als Künstlerin. Nach einem Vorkurs an der Schule für Gestaltung in Zürich absolviert sie anschliessend einen Bachelor in Grafikdesign (1991-1996) und einen Master in Visual Culture an der Aalto Universität in Helsinki (2002-2006). Seither hat Huber ihr Werk in verschiedenen Einzelausstellungen in der Schweiz, vor allem aber auf internationaler Ebene präsentiert: im Kunstinstituut Melly in Rotterdam (2021), im Power Plant Contemporary Art Gallery in Toronto (2022), bei Autograph in London (2022) und in der Ferme-Asile in Sion (2024).

Die schweizerisch-haitianische Herkunft von Huber dient ihr als Ausgangspunkt für eine Arbeitsweise, die oft eine aktivistische Dimension beinhaltet. Ihre Kunst soll zu einer Dekolonisierung des Wissens, einer Wiedergutmachung der Geschichte und einem schrittweisen kollektiven Heilungsprozess führen. Mit Videos, Skulpturen, Fotografien, Performances, Zeichnungen und Installationen prangert sie die Gewalt an, die ein Teil ihrer Vorfahren durch die Verschleppung und Versklavung zwischen Afrika und Haiti erlitten haben. Seit 2004 greift Huber in ihren oft seriellen Arbeiten auf die Technik von Heftklammern zurück, die sie mit einer Tackerpistole zu Tausenden auf Holz- und Akustikboards heftet. Ursprünglich als Akt des Zurückschiessens gedacht («Shooting Back»,), nutzt sie das Tackern um die kolonialen Wunden symbolisch zu schliessen und den durch die Sklaverei entmenschlichten Personen ihre Würde zurückzugeben («Tailoring Freedom», 2021–2023). Huber sagt selber: «Somit hat sich für mich die Methode des Tackerns im Sinne des Zusammennähens der kolonialen Wunden weiterentwickelt, das symbolisch unter die Haut geht. Ich verstehe das Tackern auch als eine Art Sorge-Tragen und auf diese Weise als einen andauernden Heilungsprozess. Es sind Wunden, die nie ganz geheilt werden können, und somit ist der Schmerz immer noch vorhanden. Ich nenne diese Arbeiten «pain-things».»

Das Porträt «The Firsts – Vincent O. Carter (USA 1924–1983 Schweiz)» besteht aus Heftklammern auf Akustikboard und ist Teil der Serie «The Firsts», die Huber 2017 begonnen hat. Mit diesem Titel bezeichnet die Künstlerin die «ersten» Schwarzen Menschen, die manchmal buchstäblich, aber vor allem auch symbolisch Wege geebnet haben. So hat sie unter anderem die Schweizer Politikerin Tilo Frey porträtiert, die 1971 als erste Schwarze Person in den Nationalrat gewählt worden ist. In dieser Arbeit geht es um den US-amerikanischen Schriftsteller und Künstler Vincent O. Carter, der dreissig Jahre lang in Bern gelebt hat. Carter ist der Autor von «Meine weisse Stadt. Das Bernbuch» («Bern Book: A Record of a Voyage of the Mind», 1973). Darin beschreibt er seine Beobachtungen der Berner Bevölkerung wie ein Ethnologe. Später schuf Carter über 2000 imaginäre Porträts auf Zeichnungen mit ausdrucksstarken Gesichtern, von denen einige im Kunstmuseum Bern (1975) und im Aargauer Kunsthaus (2023) ausgestellt wurden. Sasha Huber zeigt Vincent Carter in diesem Porträt als rauchenden Intellektuellen. Sein Blick hinter der Brille erinnert daran, dass es ihm gelang, «die anderen» zu beobachten, während er selbst zu «dem anderen» gemacht wurde, auf den sich alle staunenden Blicke der kleinen Schweizer Hauptstadt richteten.

Dieses Werk von Sasha Huber wurde 2023 speziell für die Ausstellung «Stranger in the Village: Rassismus im Spiegel von James Baldwin» produziert und zusammen mit dem Werk «The Firsts – Angélique Beldner (Schweiz *1976)» für die Sammlung des Aargauer Kunsthauses erworben.

Céline Eidenbenz, 2025

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