Karton, Packpapier, Graphit, Metall, 120 x 120 x 94 cm
Parallel zur „Auswahl 12“, der Jahresausstellung der Aargauer Künstlerinnen und Künstler, fand eine Sammlungsausstellung mit dem Titel „Was ist Grau genau?“ statt. Titel und Ausgangspunkt dieser Ausstellung bildeten die späten Werke von Maia Aeschbach (*1928), die zu Beginn des jungen Jahrtausends regelmässig ausstellte, unter anderem im Bündner Kunstmuseum, im Kunstmuseum Olten und schliesslich auch in mehreren Jahresausstellungen des Aargauer Kunsthauses. Eine Besonderheit der Papierarbeiten von Maia Aeschbach ist ihr ephemerer und installativer Charakter. Sie werden vor Ort aufgestellt und für jede Ausstellungssituation neu und den Räumen entsprechend anders aufgebaut. Nicht selten hat Maia Aeschbach Materialien bestehender Werke für eine neue Ausstellung vollständig anders verarbeitet. Bestehende Objekte und Werke gingen verloren, neue entstanden. Umso schwieriger ist es, das Werk über die Zeit schlüssig zu zeigen. Dies ist nur dank der fotografischen Dokumentation ihrer Arbeiten möglich, die von Brigitt Lattmann erstellt worden ist. Sie bildete auch die Grundlage für die Publikation „Maia Aeschbach. Graphit, Milch und Schweinefett“, die zeitgleich zur Ausstellung „Was ist Grau genau?“ erschien.
„Der Archivfächer“, der direkt von Maia Aeschbach erworben werden konnte, ist eine der wenigen Ausnahmen. Es handelt sich um ein fertiges und abgeschlossenes Werk. Er ist ein wunderbar leichtes, in seiner Ausdehnung bestimmtes und raumgreifendes Objekt, wie eine Mappe, deren zahlreiche Fächer aufnehmen, was der Betrachter ihm überlassen möchte. Das Innenleben zeigt die unbehandelte Oberfläche eines kartonartigen Papieres, gleich den Archivmappen vergangener Bürowelten, und kontrastiert mit der Aussenseite, die in typischer Manier von Maia Aeschbach mit fettigen Substanzen und Grafit behandelt wurde. Der Fächer wirkt dadurch massiv, bleiern und schwer. Er braucht, so scheint es, zwingend das Gestell aus Metall, das ihn trägt.
In ihrer letzten, intensiven Phase schuf Maia Aeschbach insbesondere Arbeiten aus Papier. Sie behandelte das Papier mit Grafit und stark fetthaltigen Substanzen und erreichte eine eigentliche Transformation des Materials. Die schlichte Oberfläche des Papiers verwandelte sich in blecherne Flächen, nahm bleiähnliche Strukturen an oder erinnert an verwitterten Stein oder alten Beton. Die Bearbeitung ist äusserst intensiv und drang in die virtuelle Tiefe der papierenen Flächen ein. Das Resultat ist eine betonte „Materialisierung“ des Papiers und der damit geformten Objekte. Diese zeugen von einer intensiven Arbeit, deren Ergebnisse Maia Aeschbach erst mit 54 Jahren in einer ersten Ausstellung zeigte. Diese künstlerische Auseinandersetzung setzte aber viel früher ein und ist die Frucht einer neugierigen und lebensfreudigen Grundhaltung, die sich im Zuge der Emanzipation der 1980er-Jahre Geltung verschafft hat und 1987 mit einem vom Aargauer Kuratorium ermöglichten Aufenthalt in der Cité Internationale des Arts in Paris eine erste Anerkennung erhielt.
Thomas Schmutz, vor 2018