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Cécile Wick, Berg, 1992
Fotografie (mit Lochkamera) auf Barytpapier auf Aluminium, je 99 x 77.5 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Cécile Wick
Copyright: Cécile Wick

Schon immer hat Cécile Wick (*1954) zum Medium Fotografie einen besonderen Zugang gepflegt, technisch wie ästhetisch. Abbilder im Sinne dokumentarischer Bildbelege haben sie nie interessiert. Wichtiger war ihr vielmehr stets das bewusste Erfahren des Moments, gepaart mit der Zuversicht, dass sich dieser – mit etwas Glück – in einem gültigen Bild kondensiert. Folgerichtig spielen die Entstehungsbedingungen nebst dem Motiv, das meist sehr allgemein gewählt ist, eine tragende Rolle. Zeit, Raum und das Erleben von beidem werden sichtbar gemacht. Orte und Namen sind weniger relevant.

In der dreiteiligen Arbeit Berg (1992) tritt dieser Fokus auf das Wesentliche exemplarisch zutage. Obwohl bezeichnend für die durchquerte Landschaft, wurde der Berg im Bild nicht um seinetwillen fotografiert. Er ist Teil eines grösseren, durch weite Ebenen bestimmten Ganzen, weshalb er lapidar als „Berg“ angesprochen werden kann. Entstanden sind die Aufnahmen auf einer Zugfahrt durch New Mexico und Arizona zu einer Zeit, als die Künstlerin oft tagelang allein mit sich selbst und den Elementen in kargen, einsamen Landstrichen unterwegs war. Bestimmt wird die Szenerie von entsprechend wenigen Komponenten: Buschland, Bergkette, Himmel. Zwei der drei Ansichten sind kurz nacheinander eingefangen und zeigen die gleiche Erhebung; im dritten, mittleren Bild wird der Blick unter einem dichten Wolkenband auf eine andere Kuppe gelenkt. Distanzen, Licht und Schatten befinden sich in stetem Wandel, der Horizont und etliche weitere Bildübergänge sind brüchig. Dennoch ergeben die Teile ein Kontinuum, wobei die tautologische Dreifachwiedergabe des Landstrichs das Lapidare und Generische noch betont. Ikonisch ist hier nicht der Berg, sondern das urtümliche, überzeitliche Bild, das er abgibt und bedient.

So sieht es die Künstlerin auch als Geschenk, dass ihr die Bildreihe dank des ungewohnt langsam im Schritttempo fahrenden Zugs überhaupt gelang. Die reale Verlangsamung im Raum hatte nämlich ihre fotozeitliche Analogie im Griff zu einer erst wenige Wochen zuvor auf der gleichen Amerikareise erworbenen Lochkamera. Aus Holz und mit metallischer Frontplatte gefertigt, war diese deutlich stabiler und wetterfester als die schon früher zuweilen verwendeten selbstgebauten Kartonmodelle. Dennoch verlangte die simple, ohne Annehmlichkeiten wie Objektiv, Sucher und Belichtungsmesser auskommende Bauweise weiterhin einen intuitiven Gebrauch. Auf den einzeln einzulegenden 4 x 5-Inch-Negativen schrieb sich die Landschaft als reine Lichtzeichnung ein und zeugt nun in ihrem Vorbeiziehen von der entschleunigten Bildgenese auf allen Stufen des Prozesses. Verstärkt wird die dadurch bedingte Unschärfe noch durch das grobe Korn und die starke Streuung infolge des Pinhole-Effekts. In der triptychonartigen Endform – den einzigen Bildern aus jenem Gebiet, die Wick gross abzog – gerät dies zu aussergewöhnlich lyrischer Kraft.

Astrid Näff, 2022

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