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Stefan Gritsch, Impacts, 2014/2019
Acryl auf Papier, 79 x 54 cm, Arbeit auf Papier
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Stefan Gritsch

Anlässlich von Stefan Gritschs (*1951) grosser Werkschau im Kunsthaus erhielt der bereits substanzielle Sammlungsbestand wichtigen und erfreulichen Zuwachs durch Beispiele weniger bekannter Werkgruppen. Die besagten Werke überraschten wohl viele, die vor allem die charakteristischen Installationen aus Acrylfarbblöcken kannten. Sie stehen aber zugleich für die Vielgestaltigkeit von Gritschs OEuvre, mit dem der in Lenzburg wohnhafte und mit dem Kunsthaus eng verbundene Künstler einen wichtigen Beitrag zur Dehnung und Neuausrichtung des Malereibegriffs leistet.

In Gritschs künstlerischer Praxis, die das Sichtbare im Wechselverhältnis zum Sichtbarmachen ergründet, sind Umkehrungen ein wiederkehrendes Thema. Bei den Impacts (seit 2014), den sogenannten „Schlagzeichnungen“, von denen neun als Schenkung des Künstlers in die Sammlung eingegangen sind, zeigt sich diese Beschäftigung in der gezielten Umkehrung von Werk und Werkzeug.

Ein Acrylfarbklumpen – hunderte davon hat Gritsch seit 1990 geschaffen und durch Schichten, Schneiden und Mischen in immer wieder neue Zustände gebracht – dient hier als Malmittel. Um die trockene Farbe aufs Papier zu bringen, braucht es viel Kraft. Energisch, ja brutal ist die Geste, mit der Gritsch mit ausgewählten Farbkeilen oder eigens hergestellten Schlagringen aus Acrylfarbe auf das weiche Büttenpapier schlägt. Die Schläge hinterlassen Farbspuren, bunt-abstrakte Schlieren, die im besten Sinne expressiv anmuten. Sie verursachen aber auch Verletzungen auf dem Bildgrund, die sich beim näheren Blick offenbaren.

Wo Gritsch einschlägt, ist bedeutsam. Die physischen Schläge und ihre bildlichen Spuren stehen – als eine weitere Form der Umkehrung – für Krisenherde des aktuellen Weltgeschehens. Die Bearbeitung des Papiers folgt schematischen Darstellungen und Landkarten globaler Konflikte, wie sie uns die Tagespresse präsentiert und wie sie Gritsch seit vielen Jahren sammelt. Karthum, Addis Abeba, Juba, Bor, Bentiu heisst es etwa im Titel einer Arbeit und verweist auf den folgenschweren Bürgerkrieg im Südsudan. Diese inhaltliche Referenz macht die Zeichnungen zu Symbolbildern unserer Ohnmacht gegenüber diesem und ähnlichen Konflikten. Täglich lesen wir von Terrorismus, Krieg und Zerstörung, sind aus unserer privilegierten Lage heraus jedoch trotzdem unfähig zu erfassen, was wirklich passiert.

Hier setzt Gritsch auch mit seiner Weiterverarbeitung dieser Zeitungsausschnitte zu ornamentalen Gemälden (War Flowers) und Teppichen (Carpets) an. Einer dieser Teppiche, Carpet Iraq (2018), wurde 2018 im Vorfeld der Ausstellung angekauft. In dieser Arbeit durchliefen die Landkarten einen digitalen Transformationsprozess. Grenzlinien, Schraffuren, Markierungen von Orten und Ereignissen legte Gritsch übereinander, spiegelte und drehte sie zu ornamentalen Mustern, die er schliesslich als Teppich produzieren liess. In pastellen Tönen und flauschigem Material erscheinen die Schauplätze von Schreckensereignissen befremdlich verführerisch und hinterfragen nicht nur unseren Umgang mit Krieg und Zerstörung, sondern auch den der Medien.

Yasmin Afschar

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