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Mai-Thu Perret, Harmonium, 2007
Neon, 255 x 146 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Mai-Thu Perret, Genève

Mit dem Werk „Harmonium“ (2007) konnte erstmals ein Werk der jungen Westschweizer Künstlerin Mai-Thu Perret (*1976) für die Aargauer Sammlung erworben werden. Die grossformatige Neonarbeit ist im Rahmen von Mai-Thu Perrets erster, umfassender Einzelausstellung entstanden, die 2007/2008 u.a. im Bonnefantenmuseum Maastricht und in der Kunst Halle St. Gallen gezeigt wurde. Die Genfer Künstlerin hat an der Cambridge University studiert und das Whitney Independent Study Program in New York absolviert. Neben ihrer Arbeit als bildende Künstlerin beschäftigt sie sich auch als Autorin von theoretischen und literarischen Texten mit Kunst. So ist „Harmonium“ Teil einer narrativen Rahmenhandlung, an welcher Mai-Thu Perret seit 1999 schreibt. In ihrer literarischen Erzählung „The Crystal Frontier“, lässt die Künstlerin eine utopische Frauenkommune entstehen, die in der Wüste New Mexikos, fernab kapitalistischer, patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen nach eigenen Idealen lebt und arbeitet. Diese Fiktion bildet die Ausganglage für die Objekte, Skulpturen, Keramiken oder Textilarbeiten der Künstlerin. Gespiesen wird „The Crystal Frontier“ aus unterschiedlichen literarischen und künstlerischen Quellen, die Mai-Thu Perret wichtige Impulse für ihre Arbeit liefern.

Das Material von „Harmonium“, die Neonröhre, kommt ursprünglich aus dem Bereich der Leuchtreklame und prägt den kommerzialisierten urbanen Raum weltweit. Einer der ersten wichtigen Anwender von Neon in der bildenden Kunst war Lucio Fontana in den frühen 1950er-Jahren. Am bekanntesten ist bis heute sicher die Arbeit des amerikanischen Künstlers Dan Flavin, der über Jahrzehnte ausschliesslich mit Leuchtstoffröhren arbeitete. Im Gegensatz zu Flavins minimalistischen Installationen mit vorfabrizierten Leuchtstoffröhren, verwendet Mai-Thu Perret die Neonröhren für eine frei komponierte, organische Wandzeichnung. Wie im Titel des Werks anklingt, geht es um das Harmonische, was formal, farblich und auch stimmungsmässig in der Arbeit aufgehoben ist. Das Neonwerk von Mai-Thu Perret wirkt ausgeglichen und in sich geschlossen. Im Leuchtobjekt vereinigen sich unterschiedliche Motive, wie ein Baum, Blätter, eine Blume. In reduzierter, abstrahierter Form verweist „Harmonium“ sowohl auf Elemente aus der Natur als auch auf kulturelle, religiöse und spirituelle Symbole. Die vielschichtig interpretierbaren Zeichen, die im Werk ineinander fliessen, werden um die Dimension der Farbe Weiss und ihren Symbolgehalt erweitert. Die Neonschlaufen sind in einem subtilen farblichen Dreiklang, aus warmen und kalten Weisstönen gehalten. Die Farbe Weiss steht für Anfang und Ende, Fülle und Leere sowie deren Vereinigung, für Unschuld und Reinheit und – je nach kulturellem Kontext – für den Tod. Als Inspiration für „Harmonium“ nennt Mai-Thu Perret ihre Auseinandersetzung mit der schwedischen Malerin und Anthroposophin Hilma af Klint (1862–1944) und ihrem spiritistischen und holistischen Zugang zur Abstraktion. Im Kontext der Aargauer Sammlung ist zudem der Verweis auf Emma Kunz (1892–1963) aufschlussreich. Ihre künstlerische Arbeit fusst in der Auseinandersetzung mit Naturheilpraktiken und spirituellen Themen. Ihre Werke stehen somit in einem interessanten, generationsübergreifenden Dialog zur Arbeit von Mai-Thu Perret.

Madeleine Schuppli

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