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Sophie Taeuber-Arp, Ohne Titel (Stehaufmännchen), Um 1918/20
Öl auf Holz, 9 x 6 x 6 cm grösster Durchmesser, Plastik/Skulptur
Aargauer Kunsthaus Aarau / Depositum aus Privatbesitz

Zum hundertsten Geburtstag der in Davos geborenen Künstlerin Sophie Taeuber-Arp (1889 – 1943) richtete das Aargauer Kunsthaus 1989 eine Retrospektive aus, die den reichen Bestand ihres Œuvres in unserer Sammlung begründete. In den 1990er-Jahren konnten weitere wichtige Werke angekauft und ein Depositum von rund 60 Arbeiten aufgenommen werden. 2005 und 2006 wurde das vielfältige Konvolut durch die Ölbilder „Cercles et barres“ (1934) und „Equilibre“ (1931) um zwei Hauptwerke aus der reifen Schaffenszeit wunderbar ergänzt. 2014 würdigte die Ausstellung „Sophie Taeuber-Arp. Heute ist Morgen“ das facettenreiche Schaffen der Künstlerin. Durch diese Präsentation gelangte 2015 ein weiteres Objekt, „Ohne Titel (Stehaufmännchen)“, als Depositum in die hiesige Sammlung.

Die vorliegende Dauerleihgabe entsteht in einer Zeit, als Taeuber-Arps Originalität in erster Linie auf dem Gebiet der angewandten Kunst anerkannt wird. Ihre Teppiche, Kissen, Accessoires und Holzdosen werden von der Kritik gelobt und können auf Gewerbeausstellungen sowie in angesehenen Fachgeschäften erworben werden. Ihre Arbeiten werden nicht im Kontext der Kunst, sondern unter dem Aspekt der Dekoration und Innenarchitektur betrachtet, da die allgemeine Ansicht herrscht, dass Kunst von Frauen nur dem kunstgewerblichen Bereich angehören kann. Ähnlich den Ideen des Bauhauses ist Taeuber-Arp bestrebt, Kunstgewerbe und Handwerk in das tägliche Leben zu integrieren. Die Auflösung der Gegensätze erreicht sie durch grenzüberschreitenden Umgang mit unterschiedlichsten Materialien und Gattungen. Die Offenheit bereitet ihrer Tätigkeit als freien Künstlerin fruchtbaren Boden – Taeuber-Arps OEuvre umfasst Design, Malerei, Textil, Zeichnung, Plastik, Bekleidung, Architektur, Theater und Tanz. Durch ihre Vielfachbegabung und ihre Teilhabe an der Dada-Bewegung, durch ihre Arbeit als Lehrerin für textiles Entwerfen an der Gewerbeschule in Zürich und ihre Kontakte in die internationale Kunstszene prägt Taeuber-Arp die zeitgenössische Kunst entscheidend.

Beim Sammlungswerk handelt es sich, wie die Beschreibung in Klammer verrät, um ein Stehaufmännchen, also um eine Figur, die durch die Schwerkraft immer wieder selbst in die Senkrechte zurückkehrt. Gewährleistet wird dies durch die abgerundete Unterseite und den tief liegenden Schwerpunkt. Die farbliche Fassung – Taeuber-Arp beschränkt sich auf die Primärfarben Gelb, Rot, Blau und Schwarz – erinnert an die abstrakte Bemalung der Marionetten für das Puppenspiel König Hirsch, die Taeuber-Arp 1918 anfertigt. Bei der Gestaltung von Gegenständen, ungeachtet ihrer Verwendung im privaten oder öffentlichen Bereich, geht es Taeuber-Arp nicht um die blosse Dekorierung, sondern sie geht auf die Objektbeschaffenheit ein. Über die Zweckbezogenheit hinaus kann der Vergleich zu den zweidimensionalen Arbeiten der Künstlerin gezogen werden, da Taeuber-Arp die gleiche Formensprache auf unterschiedlichste Objekte und Bildträger anwendet. Im Stehaufmännchen zeigt sich auf wunderbare Weise, dass Taeuber-Arp durch souveränen Umgang mit Farben und Formen die Grenzen zwischen der angewandten und der freien Kunst bewusst missachtet, um sie in den Alltag zu überführen.

Karoliina Elmer

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