1-Kanal-Video, Farbe, ohne Ton,
Thomas Gallers (*1970) Werke waren in den vergangenen Jahren in verschiedenen Sammlungspräsentationen und Jahresausstellungen zu sehen. Anlässlich der Auszeichnung mit dem Manor Kunstpreis Aarau 2009, einer Auszeichnung, die alle zwei Jahre zur Förderung talentierter junger Kunstschaffender verliehen wird, präsentierte er mit „Walking through Baghdad with a Buster Keaton Face“ seine erste Einzelausstellung im Aargauer Kunsthaus. Mit dem Ankauf der für die Ausstellung realisierten Videoarbeit „Invader“ (2009) und der Schenkung „Old Man River – The Compensation Portraits“ (2009) wird die Sammlung um weitere Werke des in Baden geborenen Künstlers ergänzt.
Das 60minütige Video „Invader“ zeigt einen nächtlichen Rundgang durch die Sammlungspräsentation im Obergeschoss des Aargauer Kunsthauses, in welchem Werke aus dem späten 18. bis zum 20. Jahrhundert präsentiert sind. Geradezu gespenstisch tauchen die Werke bedeutender Schweizer Kunstschaffender auf, die Kamera verweilt einen Moment auf den Gemälden und Skulpturen, dann verschwinden die Exponate langsam, wie vom Nebel verschluckt, wieder. Die Kunstwerke sind sprichwörtlich nur noch Schatten ihrer selbst. Die Aufnahmen sind im Nightshot-Modus entstanden, einem spezifischen Kameraverfahren, das Filmen bei eingeschränkten Lichtverhältnissen ermöglicht. Dabei werden die Farben zu einem grünstichigen Schwarzweissbild summiert. Dieses technische Verfahren wurde ursprünglich zu Überwachungszwecken entwickelt. Thomas Galler präsentiert in „Invader“ die Sammlung aus einem irritierenden Blickwinkel. Der nächtliche Besuch im Museum lässt ein unbefugtes Eindringen vermuten und die latente Bedrohung der Kunstschätze ist geradezu greifbar. Die Bilder wecken Erinnerungen an medial transportierte Begebenheiten wie die Aufnahmen der in verlassene irakische Museen eindringenden amerikanischen Soldaten und gleichzeitig auch cineastische Assoziationen. Das ungute Gefühl wird dadurch verstärkt, dass der Eindringling nicht identifizierbar ist. So sind der Blick des Künstlers, des anonymen Invaders (Eindringlings) und des Betrachters identisch.
Die Offenheit gegenüber unterschiedlichen Interpretationen sowie die Auseinandersetzung mit Medien- und Kinobildern, die die kollektive Wahrnehmung formen, sind bezeichnend für Thomas Gallers Vorgehen. Sein künstlerisches Material bezieht er aus Printmedien, Kinofilmen, von Tonträgern und aus dem Internet. Seine Arbeiten entstehen in einem mehrstufigen Prozess: Er wählt die medialen Fundstücke gezielt aus und löst sie aus ihrem Kontext heraus, bearbeitet sie und führt sie in neue Bedeutungsfelder über. Sichtbar wird diese Methode auch in den „Old Man River. The Compensation Portraits“, einer fünfteiligen Serie vermeintlicher Künstlerporträts. In Wahrheit zeigen die Schwarzweissbilder den bekannten amerikanischen Schauspieler Heath Ledger (1979–2008), der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Galler selbst aufweist. Der Schauspieler wird so zum Schausteller, zum Stellvertreter für den Künstler. Thomas Galler geht es in diesem Werk weniger um eine physische Ähnlichkeit zwischen ihm und Ledger. Vielmehr kreist die Arbeit um die Fragen, wie Leben inszeniert oder eine Persönlichkeit konstruiert wird und was dabei unbewusst oder bewusst ausgespart wird. Der Werktitel der Porträtserie spielt auf Marcel Duchamp (1887–1968) an, der 1942 als Herausgeber des Katalogs zur Ausstellung „First Papers of Surrealism“ in New York die teilnehmenden Künstler aufgefordert hat, das Bild einer anderen Person, ein sogenanntes „Compensation Portrait“ zu wählen, um sich selber zu repräsentieren.
Katrin Weilenmann