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Camille Graeser, Konstruktion mit sechs Farbakzenten, 1949
Oil on canvas, 40 x 60 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung der / Donation by the Camille Graeser-Stiftung, Zürich
Copyright: Camille Graeser-Stiftung, Zürich

Wie seine Gesinnungsgenossen Verena Loewensberg (1912–1986), Max Bill (1908–1994) und Richard Paul Lohse (1902–1988) aus dem Kreis der Zürcher Konkreten versteht der in Genf geborene Camille Graeser (1892–1980) die visuelle Gestaltung als etwas Universales. Als Innenarchitekt, Maler, Plastiker, Produktgestalter und Grafiker glaubt auch er an die Allgegenwärtigkeit künstlerischer Formgebung. Wie seine Künstlerfreunde sucht er nach neuen Darstellungsmöglichkeiten, die losgelöst von jeglicher Abbildhaftigkeit funktionieren. Bis 1933 ist Graeser vorwiegend als Gestalter und Innenarchitekt in Stuttgart tätig, wo er aufgewachsen ist. Mit der Übersiedelung nach Zürich befasst er sich zunehmend mit der Malerei und entwickelt sich zwischen 1937 und 1947 zum konkreten Künstler. Ab 1955 findet Graeser zu seiner Formensprache, von der er im späteren Schaffen nicht mehr abweicht und die er konsequent weiterverfolgt.

1948 fertigt Graeser viele Zeichnungen, malt aber keine Gemälde. 1949 schliesslich schafft er als einziges Bild des Jahres „Konstruktion mit sechs Farbakzenten“, das zur ersten geschlossenen Werkgruppe seines konkreten Schaffens zählt und ihn als einen Hauptvertreter der gleichnamigen Kunstströmung auszeichnet. Bis 1951 entstehen etwa ein Dutzend von dynamischen Konstruktionen mit Diagonalen, die Graeser als „loxodromisch“ bezeichnet. Für den Künstler ist der Begriff synonym mit loxogonal, das heisst schiefwinklig. Wie die vorliegende Arbeit in Öl den Betrachtenden vor Augen führt, werden dabei rechtwinklige geometrische Bildmotive, wie Quadrate oder Balkenformen, durch schräg gesetzte, im besprochenen Beispiel farbig gehaltene Diagonalen verbunden. Charakteristisch für diese Werkphase sind neutrale Hintergründe in Schwarz, Grau oder eben Weiss, die Graeser mit Elementen in reinen und gebrochenen Farbtönen kombiniert.

Obwohl die konkrete Kunst spätestens seit den 1950er-Jahren in der Schweiz anerkannt ist und sie darüber hinaus stellvertretend für angeblich schweizerische Tugenden wie Präzision, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit steht, wurde kein einziges Werk dieser Epoche für die Sammlung des Aargauer Kunsthauses erworben, als die Strömung gerade das Kunstgeschehen prägte. Bis auf wenige Ausnahmen fanden keine Objekte der avantgardistischen Stilrichtungen vom frühen 20. Jahrhundert bis etwa 1980 Eingang in den hiesigen Bestand. Erst seit 1984 wird die Kunst dieser Zeit systematisch erschlossen, und sie bildet seither eine wichtige Brückenfunktion zwischen den historischen und den zeitgenössischen Kunstpositionen.

„Konstruktion mit sechs Farbakzenten“ gelangt 2003 als Schenkung der Camille Graeser-Stiftung, Zürich in die Sammlung und rundet als zentrale Arbeit Graesers Werkgruppe um „Vier vertikal geordnete Komplementär-Farbgruppen“ (1946–1958, vgl. Inv.-Nr. 5843) und „Triade (Triadisches Thema)“ (1946–1955, vgl. Inv.-Nr. 5018) wunderbar ab. Zusätzlich hat uns die Camille Graeser-Stiftung Ideenskizzen in Blei- und Buntstift überlassen, die Graesers Bildern als Experimentierfeld vorausgehen und somit Einblick in den Entstehungsprozess der einzelnen Werke geben.

Karoliina Elmer

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