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Anselm Stalder, Kristalline Formation / Funkelnde Doppelung, 1988/2002
Gips, Chromnickelstahl, Glas, Glasmurmeln, Spiegel,
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Sammlung Credit Suisse
Copyright: Anselm Stalder

Die Arbeit „Kristalline Formation / Funkelnde Doppelung“ (1988/2002) von Anselm Stalder (*1956) ist durch eine Schenkung der Bank Credit Suisse ins Aargauer Kunsthaus gelangt und erweitert damit die Bestände des Künstlers in der Sammlung des Hauses. Der doppelte Titel sowie die zweifache Jahresangabe sind eng mit der Geschichte des Werks und seiner Herkunft verbunden, haben kaum werkimmanente Bedeutung, doch lässt dieser Umstand tief in das Verständnis von Objekt und Werk des Künstlers blicken. Nicht individuelle, hermetische Skulpturen, sondern das daraus resultierende ‹Ausstellungsbild›, ein für Stalder zentraler Begriff, stellt die während der gesamten Präsentationszeit geltende Einheit dar. Diese ist jeweils einzigartig und ortsgebunden. Das Ausstellungsbild resultiert aus dem Zusammenspiel einer Vielzahl eigenständiger, in sich präzise ausformulierter Elemente. In einer neuen Umgebung und damit veränderten Konstellation ergibt das modulare System aus älteren und jüngeren Arbeiten ein neues Ausstellungsbild. In Bezug auf das Gesamtbild gilt für Stalder somit ein variabler, flüchtiger Werkbegriff, während dieser für die einzelnen Elemente stabil und unverhandelbar ist.

Die weissen Formen aus „Kristalline Formation“ wurden erstmals 1988 in der Kunsthalle Basel gezeigt, bevor sie vierzehn Jahre später von der Bank für einen Raum der Stille, einen vom Architekten entworfenen Kontemplationsraum, angekauft wurden. Um aber dem eingangs erwähnten, dialogischen Werkverständnis gerecht zu werden, bedurfte es aus der Sicht von Stalder zur bestehenden Arbeit eines zusätzlichen Kontrastpunktes: „Funkelnde Doppelung“ (2002). Dicht beieinander gestellt wirken die gipsernen Stelen wie ein aus dem Boden ragender, zerklüfteter Gletscher. Der Titel „Kristalline Formation“ attestiert dem Werk eine kostbare Materialität, die in ihrer Anordnung nach einem geometrisch perfekten Ordnungsprinzip strebt, dem auch Gips in seiner natürlichen Form unterliegt. In seiner praktischen Verwendung ist Gips allerdings opak und brüchig. Im Raster der wiederholt abgegossenen und abermals veränderten Grundform öffnen sich jedoch Spalten und Abgründe. Das Einzelne verweigert sich der Unterordnung in ein System. Dieser massiven und amorphen Gruppierung stellt der Künstler mit „Funkelnde Doppelung“ ein in vielen Beziehungen gegenteiliges Objekt entgegen und schafft damit ein vielseitiges Referenzsystem. Ausbalanciert auf einem Kugelschnitt ragt eine präzis eingemittete Stange heraus, auf der am oberen Ende ein Glaskasten mit vielen darin eingeschlossenen Glaskugeln montiert ist. Das Equilibre „Funkelnde Doppelung“ wirkt mit dem transparenten Aufsatz wie das konträre Pendant zur niederen soliden und undurchsichtigen Werkgruppe. Die Eigenschaften des einen Objekts ergeben erst mit der gegenteiligen Qualität des Gegenübers eine Einheit. Durch das in Beziehung setzen beider Werkteile durch den Rezipienten ist nunmehr der Wunsch des Künstlers nach einer kontextualisierten Betrachtung erfüllt.

Franz Krähenbühl

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