1-Kanal-Video, schwarz-weiss, ohne Ton, 11' 05''
Regelmässig kauft das Aargauer Kunsthaus Werke von Kunstschaffenden an, die im Rahmen der Auswahl – der traditionellen Jahresausstellung der Aargauer Küsterlinnen und Künstler – zu sehen waren. Aus der Auswahl09 konnte eine Videoarbeit von Aurelio Kopainig (*1979) erworben werden, einem Künstler, der sich in seinem Schaffen medienübergreifend der Zeichnung, der Fotografie, der Installation und des Films bedient. Der Ankauf widerspiegelt das Bestreben des Aargauer Kunsthauses, jungen Schweizer Positionen nicht nur eine Ausstellungsplattform zu bieten, sondern Sie auch durch die Einbindung in die Kunsthaussammlung in Ihrer Arbeit zu unterstützen. Das Video wurde zudem mit einem finanziellen Beitrag ans künstlerische Schaffen vom Aargauer Kuratorium ausgezeichnet.
Der im Super 8-Format gedrehte Kurzfilm des derzeit in Berlin lebenden Künstlers erweckt wie in einem Daumenkino Gegenstände zum Leben und lässt Ordnungssysteme auf charmante Weise aus den Fugen geraten. Aus unserem Leben gegriffenen Dinge durchforschen dunkles, geheimnisvolles Gemäuer und entwickeln dabei ein sowohl abstruses wie amüsantes Eigenleben: Eine Holzlatte schlängelt sich geschmeidig eine Treppe hinunter, ein mit Neonröhren zum Leuchten gebrachtes Tischobjekt kriecht dunklen Kellergewölben entlang oder unter einer Plastikhaube, ähnlich einem Minitreibhaus, schiessen zum Keimen gebrachte Senfpflanzen im Zeitraffer aus dem feuchten Boden. Ohne Ton und in schwarz/weiss wird der Betrachter Zeuge sich nacheinander ereignender Einzelszenen einer absonderlichen, scheinbar menschenleeren Welt, in der sich Dinge nicht nur bewegen, sondern auch wachsen, sich verändern oder gar zerbrechen. Angeregt durch Experimente der NASA zur Kultivierung pflanzlicher Organismen im Weltraum sowie durch Pläne und Fantasien zur Kolonisierung ferner Gestirne, verwandelte Kopainig den Ausstellungsraum im I Sotteranei dell’Arte in Monte Carasso – wo die Film-Arbeit danach auch erstmals gezeigt wurde – in ein Versuchslabor künstlicher Wachstumsprozesse. Das Thema der künstlichen Natur, des Wachstums unter kontrollierten Bedingungen bzw. in geschlossenen Systemen ist bei Kopainig omnipräsent und kommt in unserer Arbeit in ausgesprochen poetischer Weise zum Ausdruck. Sensibel und ohne ermahnenden Zeigefinger führt er uns das Bedürfnis des Menschen nach der Kontrollierbarkeit der Natur vor, indem er es humorvoll inszeniert.
Kopainings Werk oszilliert zwischen naturwissenschaftlichem Entdeckertum – dem Willen, natürliche Prozesse zu verstehen und erlebbar zu machen – und der Auseinandersetzung mit dem menschlichen Eingriff in den Ablauf der Dinge, den er mit unterschiedlichen künstlerischen Medien systematisch hinterfragt. Es ist ein grosses, unter spezifischen Anordnungsbedingungen erzeugtes Experiment, welches den Betrachter Staunen lässt.
Nicole Rampa