
Öl auf Leinwand, 193 x 163 cm
Die in Aarau geborene Künstlerin Barbara Müller (1956–2023) setzt 1987 mit ihrer künstlerischen Tätigkeit ein. «Ich wollte mit Farben arbeiten», sagt die gelernte Goldschmiedin. So findet sie allmählich vom Drei- ins Zweidimensionale, vom Objekt auf die Leinwand. Zu Beginn schafft Müller Objekte und kleine Installationen und experimentiert mit Farbmaterialien. Im Verlauf der 1990er-Jahre wendet sie sich der Ölmalerei zu. Zunächst arbeitet sie mit verschiedenen, ungewöhnlichen Bildträgern, wie einem Gemisch aus Gips, Leim und Bandagen, ab den 2000er-Jahren malt sie ihre grösseren Formate ausschliesslich auf Leinwand und die kleineren auf Hartfasertäfelchen.
Barbara Müller wählt stark verdünnter Ölfarbe: Sie giesst die flüssige Farbe auf die Leinwand, verstreicht sie mit verschiedenen Hilfsmitteln und setzt sie mit anderen Farben in Beziehung. «Ich habe es gerne, wenn sich die Farben beissen, die Striche sich zuwiderlaufen und eine zugespachtelte Fläche mit einer Lasierung gebrochen wird», sagt die Künstlerin, die sich über ihr Werk wenig äussert und die Bilder lieber selbst sprechen lässt. Durch das Überlagern und Nebeneinanderstellen von Farben entstehen abstrakte Formen, die den Malprozess spürbar machen. Formen mit scharfen Kanten begegnen Flächen und Strichen mit diffusen Übergängen. Ein weiteres Element der Gesamtkomposition ist die grundierte Leinwand, die meist an mehreren Stellen sichtbar bleibt und zum spannungsvollen Verhältnis zwischen Grund, Fläche und (Bild-)Tiefe beiträgt. Die vermeintliche Selbstverständlichkeit der Werke mit ihren nur angedeuteten und offenen Gesten ist das Ergebnis einer hohen Konzentration und zwischenzeitlich langen Betrachtungszeit der Künstlerin während des Entstehungsprozesses: «Beim Malen bin ich selbst unter Spannung, wenn sie abfällt, weiss ich: Jetzt bin ich fertig.» Barbara Müller arbeitet meist an mehreren Bildern gleichzeitig, stellt Angefangenes zur Seite und braucht zur Fertigstellung manchmal länger als ein Jahr. Es sind langsam entstandene Bilder, die schliesslich auch bei den Betrachtenden längere Zeit einfordern. Die Malerei entfaltet ihre ganze Intensität und ihren Ausdruck erst in der unmittelbaren und intimen Begegnung vor Ort.
Barbara Müller und das Aargauer Kunsthaus sind eine enge Beziehung miteinander eingegangen. Bereits 1989 – nur zwei Jahre nach Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit – erwarb das Kunsthaus die erste Arbeit der Künstlerin. Ihre Werke waren in bedeutenden thematischen Ausstellungen wie Karo Dame. Konstruktive, Konkrete und Radikale Kunst von Frauen von 1914 bis heute (1997) oder Das Gedächtnis der Malerei. Ein Rückblick auf das 20. Jahrhundert (2000) vertreten. Heute befindet sich eine kleine repräsentative Werkgruppe von Objekten, Zeichnungen und Gemälden aus den Jahren 1989 bis 2021 in der hauseigenen Sammlung. Mit der Schenkung der drei Ölbilder aus dem Spätwerk – «Ohne Titel» (2008-9), «Ohne Titel» (2018) und «Ohne Titel» (2021) – wird das Konvolut mit weiteren qualitätvollen Arbeiten ergänzt.
Anouchka Panchard, 2025