Öl auf Leinwand, 90 x 90 cm
Den Auftakt zu einem Überblick jüngerer Schweizer Kunstgeschichte bilden die Werke der Zürcher Konkreten. Richard Paul Lohse (1902–1988) zählt zusammen mit Verena Loewensberg (1912–1986), Max Bill (1908–1994) und Camille Graeser (1892–1980) zum festen Bestand der Sammlung des Aargauer Kunsthauses. Die 1937 anschliessend an die Ausstellung „Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik“ (1936) im Kunsthaus Zürich entstandene Künstlervereinigung „Allianz“ ist – zunächst ein Sammelbecken für unterschiedliche avantgardistische Strömungen, wird aber rasch von den wortstarken Vertretern der konstruktiv-konkreten Richtung dominiert. Die konkrete Kunst verzeichnet nicht nur Erfolge in der Heimat, sondern wird auch als Schweizer Beitrag zur Entwicklung der internationalen Kunst der Nachkriegszeit gewürdigt. Einerseits zieht sie Kunstschaffende aus ganz Europa und aus Südamerika in die Schweiz, andererseits entwickeln Schweizer Künstler eine Basis für einen künstlerischen Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg.
Im Ölgemälde „Reihenelemente zu rhythmischen Gruppen konzentriert“ ordnen sich schmale, vertikale Farbstreifen vor breiteren Streifen in gleichmässiger Aufteilung auf der Bildfläche an. Durch diese Schichtung wird eine räumliche Tiefe erzeugt. Die Farbelemente füllen das Bildfeld gänzlich. Es gibt keine Linien, die die Flächen gegeneinander abgrenzen – die Grenze ist da, wo die Farben aufeinandertreffen. Die einander berührenden Farbflächen unterscheiden sich in den koloristischen Werten und setzen sich dadurch deutlich voneinander ab. Grün, Gelb und Schwarz sind die dominierenden Farbtöne und gruppieren die Partien. Die schlanken, bunten Streifen bilden zusammen mit dem kontrastreichen Schwarz und Weiss ein flimmerndes Wechselspiel der Farben. Mit seinen Bildtiteln bietet Lohse den Betrachtenden eine Hilfe, um den Ausgangspunkt der konstruktiven Bildlösung zu rekonstruieren. Die beiden Entstehungsdaten verweisen die erste Konzeption des Werks als Zeichnung und die spätere Umsetzung in Öl.
Angeregt von einer konsequenten Analyse der Werke von Piet Mondrian (1872–1944), Theo van Doesburg (1883–1931), Georges Vantongerloo (1886–1965) und Josef Albers (1888–1976), definiert der gelernte Werbegrafiker Lohse in kurzer Zeit seine wichtigsten Gestaltungssysteme, die ihn zum konsequentesten, rationalsten und systematischsten Vertreter der Zürcher Konkreten machen: die modularen und seriellen Ordnungen sowie die Standardisierung der bildnerischen Elemente, die auf den Gedanken der konstruktiven Kunst beruhen. Obwohl der Künstler elementare geometrische Formen und Grundfarben verwendet, die Bildfläche respektiert und die Farbe neutral aufträgt, entscheiden letztlich persönliche Kriterien über die Anordnung der Formen und Farben. Lohse eliminiert Kreis- und Diagonalelemente und arbeitet ab 1943 – stets in Bezug auf die Bildfläche – mit der Horizontalen und Vertikalen. Form und Farbe werden als Einheit und als messbare Quantitäten begriffen. Lohse findet zu einer Ausdrucksform, in der der Dualismus zwischen Form und Fläche aufgehoben ist, also kein Motiv mehr gibt. In seinem Schaffen überschreitet er die Grenzen der Malerei, indem er seine moralische Haltung miteinbezieht. Seine seriellen und modularen Ordnungen visualisieren das Prinzip der Demokratie insofern, dass alle bestehenden Elemente frei und gleichwertig sind. Die Bilder sind Resultat eines Entwicklungsprozesses und vermeiden jede expressive Subjektivität: Lohse führt vor Augen, dass das künstlerische Schaffen auf rationalen Grundlagen fussen kann. In den 1950er-Jahren führt der eingeschlagene Weg Lohse zur modularen Ordnung aus neun Quadraten. Diese Werkphase wird in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses durch die Arbeit „Waagrechte Dominante mit rotem Quadrat“ (1960–1977, Inv.-Nr. 3966) vertreten.
Karoliina Elmer