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Doris Stauffer, Schneewittchen und die acht Geisslein, 1966
Diverse Materialien, ca. 110 x 70 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Doris Stauffer
Copyright: Nachlass Doris Stauffer
Fotocredit: Brigitt Lattmann

Doris Stauffer (1934–2017), geborene Klötzer, wird 1951 als eine von sechs Studierenden an der Kunstgewerbeschule Zürich in die Fotoklasse von Hans Finsler (1891–1972) aufgenommen. Unter ihren Mitschülern ist Serge Stauffer (1929–1989), den sie 1954 heiratet. Früh werden die beiden Eltern. 1968 ist Stauffer Mitbegründerin der Zürcher Frauenbefreiungsbewegung (FBB). 1969 übernimmt sie von ihrem Mann einige Unterrichtsstunden an der Kunstgewerbeschule Zürich. Ihre ersten „Teamwork“-Kurse führen zum Konflikt mit der Schulleitung und 1971 zu der von den Stauffers mitinitiierten Gründung der F+F Schule für experimentelle Gestaltung. 1977 bis 1980 gibt Doris Stauffer die inzwischen legendären „Hexenkurse“, an denen ausschliesslich Frauen teilnehmen dürfen. 1989 stirbt ihr Mann. Sie selbst erhält 2015, zwei Jahre vor ihrem Tod, den Preis für allgemeine kulturelle Verdienste der Stadt Zürich.

Aufgrund des anspruchsvollen Familienlebens gerät Stauffer als Künstlerin kaum in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Gleichwohl schafft sie seit 1956 zumeist assemblageartige Werke aus Materialien, die sie als Hausfrau unmittelbar umgeben: abgenutzte Möbelstücke, alte Spielsachen, Nähutensilien, Kuchengeschirr, Esswaren. Mit einer beeindruckenden Nonchalance verfremdet oder „verzaubert“, wie die Künstlerin selbst es gerne genannt hat, sie alltägliche Gegenstände.

„Schneewittchen und die acht Geisslein“ besteht aus einem Kopfkissen – es ist Doris Stauffers eigenes –, einer Ablage aus Emaille und acht Topfdeckeln. Letztere erinnern, vielleicht auch aufgrund des Titels, an Zitzen, und plötzlich erscheint diese hybride, weiche Plastik als ein aus Haushaltsutensilien geformter weiblicher Akt. Der Werktitel, der zwei bekannte Märchen miteinander vermengt, zeigt einerseits das Interesse der Künstlerin an dieser Form der Erzählung. Die Referenz auf zwei Geschichten, die weibliche List, Macht und Überleben thematisieren, verstärkt andererseits aber auch Stauffers feministisches Statement. In den 1960er-Jahren entstanden knapp zwanzig solcher Assemblagen. Sie tragen meist witzige Titel, die aber auch oftmals unterschwellig auf die schwierige Doppelrolle als Frau und Mutter verweisen. So gibt es eine „grossmutter“ (1963/64) aus Nähfäden, Knöpfen und Nadeln oder ein als „notvorrat“ (1962) bezeichnetes Küchenholzbrett, das mit verschiedenen ungekochten Nudelformen belegt ist.

Stauffers künstlerisches Schaffen wurde erst 2013 an der ihrem Mann gewidmeten Ausstellung „Serge Stauffer – Kunst als Forschung“ im Helmhaus Zürich wirklich entdeckt, was dann in eine 2015 erschienene Monografie mundete. In dieser wird Stauffer als
„Fotografin, Musikerin, Mannequin, Babyschwester, Erzieherin, Verkäuferin, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau – Demonstrantin“ bezeichnet und insbesondere ihr Beitrag zur Entwicklung einer feministischen Kunst in der Schweiz gewürdigt.

Bettina Mühlebach, 2018

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