Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
X
Roman Signer, Strassenbilder: Karpaten, Ukraine, Rumänien, 2005
Farbfotografie auf Papier, 31 x 49 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Roman Signer

Die Sammlungstätigkeit des Aargauer Kunsthauses in Bezug auf Roman Signer (*1938) reicht weit zurück. 1980 kaufte das Haus erstmals eine Werkserie des Ostschweizer Künstlers an – 54 Grafiken, die zwischen 1974 und 1976 entstanden sind. Knapp zehn Jahre später wurde die Sammlung mit dem Ankauf einer Auswahl von Signers berühmten Super-8-Filme erweitert. Nebst den Filmen prägt vor allem das skulpturale Schaffen des Künstlers den Bestand der Sammlung. Als Beispiele hierfür können die Objekte „Film für einen Fluss“ (1985), „Zwei Fahnen“ (1986) oder „Velo“ (2006) genannt werden. Die zweiteilige Skulptur Velo, ein zersägtes Rennrad in einem blauen Fass, liess der Künstler dem Aargauer Kunsthaus als Geschenk zukommen – als Zeichen der langjährigen Verbundenheit. Heute zählen insgesamt 89 Arbeiten aus Signers umfangreichem Gesamtwerk zum Besitz des Aargauer Kunsthauses. Einen stattlichen Anteil macht dabei die Neuerwerbung von 2011 aus, die eindrückliche 47-teilige Fotoserie „Strassenbilder: Karpaten, Ukraine, Rumänien“ (2005). Diese stellt eine besondere Position im Schaffen des Künstlers dar und ist eine wichtige Ergänzung der bedeutenden Sammlungsbestände.

Entstanden sind die Fotografien während Signers Reisen durch den Südosten Europas, wobei der Künstler auf Landstrassen vorgefundene Alltagsszenarien ablichtete. Es sind improvisierte Verkaufsstände und Gedenkstätten zur Erinnerung an Verkehrsopfer, die Signer in den Fokus seiner Kamera nahm. Die Gedenkstätten aus Kreuzen und farbenprächtigen, teils natürlichen, teils künstlichen Gartenblumen oder aus Gestängen mit hängenden Kränzen sind oft aufwendig gestaltet. Auch die Früchte und das Gemüse wurden sorgfältig auf den Tischchen und Schemeln ausgelegt. Durch die fotografische Inszenierung dieser alltäglichen Arrangements erscheinen sie wie künstlerische Installationen von hoher ästhetischer Qualität.

Bei der Betrachtung der Fotoserie treten erst einmal die bildästhetischen Parallelen hervor. Alle Bilder zeigen landschaftliche Szenerien und sind von karger Wirkung. Während die Gedenkstätten fast immer eine Landschaft im Hintergrund haben, befinden sich die behelfsmässig errichteten Verkaufsstände zwischen Häusern und Strasse. Im Vordergrund der querformatigen Fotografien ist meist der Strassenrand zu sehen. Sowohl die zentrierten Verkaufsstände als auch die Gedenkstätten sind von auffälliger Farbigkeit, weshalb sie sich deutlich von ihrer Umgebung abheben. Aufgrund dieser repetitiven Kompositionselemente und der unaufgeregten, konzentrierten Fokussierung auf eine angetroffene, reale Situation präsentiert sich die Bildserie formal und motivisch einheitlich.
Auf der Bedeutungsebene findet sich jedoch ein massgeblicher Gegensatz: Das eine Mal geht es um das Leben, das andere Mal um den Tod. Zentral für diesen Aspekt ist der bildimmanente Bezug zur Strasse. Für die Anwohner ist die Strasse eine Lebensader, denn die Einkünfte aus dem Verkauf der eigenen Produkte an Automobilisten bedeuten eine Aufbesserung des bescheidenen Lebensstandards. Wegen der unzähligen Verkehrsunfälle bringt die Strasse aber auch den Tod.

Madeleine Schuppli

X