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Hans Ernst Brühlmann, Toggenburger Landschaft mit Gaden, 1909
Öl auf Karton, 48 x 69 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Legat Dr. Max Fretz

Der im thurgauischen Amriswil geborene Hans Brühlmann (1878–1911) nimmt in der Schweizer Malerei des frühen 20. Jahrhunderts eine wichtige Position ein. Trotz seines kurzen, von einer unheilbaren Krankheit gezeichneten Lebens hinterlässt der Künstler ein umfangreiches Œuvre, das Gemälde, Zeichnungen, Wandbilder und Schmuckgestaltung umfasst. In kurzer Schaffenszeit stösst er zu einer eigenständigen Bildsprache vor und hinterlässt eine grosse Themenvielfalt, die Landschaften, Figurendarstellungen, Porträts und Stillleben einschliesst.

Brühlmann tritt 1898 die Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich an. 1899 wird er Schüler in der Malerkolonie Hermann Gattikers (1865–1950) in Rüschlikon, auf dessen Rat er die Königliche Kunstschule Stuttgart besucht. Während eines Aufenthaltes in Florenz, Rom und Assisi setzt er sich intensiv mit der Kunst Giottos (1266–1337) auseinander. In Paris kommt Brühlmann 1908 und 1909 mit Werken Paul Cézannes (1839–1906) in Kontakt, dessen Malerei eine prägende Wirkung auf Brühlmanns Bildauffassung ausübt.

Landschaftsdarstellungen stehen zu Beginn von Brühlmanns Schaffen und nehmen darin eine wichtige Stellung ein. Ersten Unterricht in der Landschaftszeichnung erhält Brühlmann bei Gattiker, dessen genaues Naturstudium aber nicht den künstlerischen Intentionen Brühlmanns hin zum strukturierten Bild entspricht. Entscheidende Bestätigung für die Richtigkeit seiner Vorstellungen vermittelt ihm Adolf Hölzel (1853–1934), der Brühlmann 1906 an der Stuttgarter Kunstakademie als Meisterschüler aufnimmt. In der Folge nimmt Brühlmann die Bildfläche als Raum für Experimente wahr, bleibt aber stets der Gegenständlichkeit verhaftet.

Nach Aufenthalten im Schwarzwald und in Paris weilt der Künstler im Sommer 1909 im Toggenburg. Zeitlebens fesselt die heimatliche Landschaft Brühlmann, und er berücksichtigt sie in zahlreichen Zeichnungen sowie Gemälden. Im besagten Sommer bezieht der Künstler das Bergschulhaus im Dicken bei Ebnat. Der hoch gelegene Standort gewährt ihm freien Ausblick nach allen Richtungen, der künstlerisch anregend wirkt. Es entsteht eine Folge von Ansichten, zu denen die beiden Werke „Toggenburger Landschaft“ (vgl. Inv.-Nr. 16) und „Toggenburger Landschaft mit Gaden“ in der hiesigen Sammlung zählen. In Letzterem hält Brühlmann mit sicherem, breiten Pinselstrich den südöstlich gelegenen Landschaftsausschnitt fest: Auf einer ansteigenden Wiese im Bildvordergrund steht der im Titel erwähnte Gaden. Im Mittelgrund erhebt sich eine Reihe dunkler Tannen, hinter denen die für das Toggenburg charakteristischen weichen Hügel ansteigen. Die Horizontlinie ist hoch angesetzt, so dass der Himmel nur einen kleinen Teil der Bildfläche einnimmt.

Die beiden Gemälde zeigen Brühlmanns neuen Kompositions- und Konstruktionsprinzipien. Insgesamt wirken die Arbeiten aus dem Jahr 1909 verdichteter, da der Künstler Details zugunsten einer auf wenige Formen beschränkten Zusammenfassung vernachlässigt. In der Auseinandersetzung mit Cézannes Kunst gelangt Brühlmann zu den Gestaltungsgrundlagen, die der Maler selbst wie folgt umschreibt: „Erst wenn wir diese architektonische Grundlage haben, können wir, freischöpfend mit unseren Mitteln uns daran machen, der Natur näher zu kommen, nicht durch Nachahmung, sondern durch Neuschaffung mit Hilfe unserer Mittel.“ Somit bildet die Suche nach organischen Strukturen im Naturvorbild den Ausgangspunkt für Brühlmanns Bildfindung. Die der Landschaft eigenen Elemente gliedern und rhythmisieren diese: Die Vertikalen der Bäume kontrastieren mit den Schatten, Wegen und Wiesengrenzen als Horizontalen und Diagonalen. Die Bildfläche fasst Brühlmann als eigene Realität auf, deren Tiefe er durch Schichtung und Tonwertabwandlungen erreicht.

Karoliina Elmer

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