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Leo Leuppi, Variation VI, 1947
Öl auf Leinwand, 61 x 53 cm
Aargauer Kunsthaus/Schenkung der F.G. Pfister Kultur- und Sozialstiftung
Copyright
Fotocredit: Alexandra Roth

Leo Leuppi (1893–1972) nimmt unter den Schweizer Avantgardekünstlern der Zwischen- und Nachkriegszeit den Rang eines bedeutenden Vermittlers ein. Von 1910 bis 1914 an der Kunstgewerbeschule Zürich zum Grafiker ausgebildet, befreundet er sich nach dem Ersten Weltkrieg im Zürcher Dada-Umfeld mit Hans Arp (1886–1966) und findet nach expressiven Anfängen über den synthetischen Kubismus, der ihn fast ein Jahrzehnt beschäftigt, um 1937 zur Abstraktion. Für eine weitere Dekade ist sein Werk geometrisch-konstruktiv angelegt, wirkt aber nie dogmatisch und weist zuweilen sogar entfernt surrealistische Einschläge auf. Dies macht ihn zur idealen Persönlichkeit, um die Anliegen aller progressiven Kräfte gegenüber der wertkonservativen Haltung des Schweizer Kunstbetriebs zu verfechten und letztlich auch durchzusetzen. In der langjährigen Präsidentschaft der 1937 von ihm mitinitiierten Künstlervereinigung „Allianz“ findet dies ebenso Ausdruck wie im Anschub einer ganzen Reihe von wegweisenden Ausstellungen sowie in den Textbeiträgen, die er für deren Kataloge, Zeitschriften und den „Allianz“-Almanach verfasst.

Das enorme kunstpolitische Engagement, das Leuppi während Jahren erbringt, hat zur Folge, dass sein künstlerisches Schaffen etwas dahinter zurücktritt. Dass ein Teil davon – namentlich die zufallsbestimmten Collagen aus gerissenen Papieren, deren Potenzial er ab 1948 auslotet – stark von der Nähe zu Arp gekennzeichnet ist, mag ebenfalls ein Grund für die eher verkennende Rezeption seines Gesamtwerks sein. Gerade die Arbeiten, die bis in die unmittelbare Nachkriegszeit entstehen, lassen indes eine grosse Eigenständigkeit erkennen; dasselbe gilt für die im Spätwerk gefundene Synthese zwischen deren frei gehandhabter Abstraktion und den im Verlauf der 1950er-Jahre vertieften Themen Zufall und Transformation.

Von Leuppis leichthändigem, bewussst nur annähernd perfektem Zugang zur Geometrie in Verbindung mit der Idee steter Umformung zeugt auch das vorliegende Werk. Wie sein Titel verrät, ist es Teil einer Reihe von Kompositionen, deren Leitmotiv – Kreis-, Tropfen- und Spindelformen auf asymmetrisch strukturiertem blau-grauem Grund – verschiedentlich variiert wird. Nicht bei allen Versionen ist es indes beim simplen Titel geblieben, wie er für „Variation VI“ seit der Erstpräsentation im Mai 1947 in der Kunsthalle Bern belegt ist. Einige Werke tragen abweichende Bezeichnungen wie „Wandlung grau-blau“ und weisen so auch mit Worten auf das Spiel mit den feinen Nuancen hin, das für Leuppi typisch ist. Nebst der subtilen, hier um ein kräftiges Rot erweiterten Koloristik, umfasst dies bei allen Varianten die kontrapunktische Paarung und Ausrichtung der Elemente, denen sich aus der Auswahl an Grundformen noch ein Einzelelement beigesellt, im gegebenen Fall der Kreis. Aufgereiht sind diese Elemente entlang imaginärer Geraden, die ihrerseits in einem dynamischen Verhältnis zur Gliederung der Fläche und zu den Bildkanten stehen. Bei „Variation VI“ sind die festen Verstrebungen im orthogonalen System bis auf die Oberkante des roten Feldes und die vier 90-Grad-Winkel an seiner unteren rechten Ecke fast vollständig aufgelöst. Im Hintergrund bleiben sie aber wirksam und sorgen so für die lyrisch-equilibristische Harmonie, die fast allen Werken Leuppis eigen ist.

Astrid Näff, 2018

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