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Camille Graeser, Vier vertikal geordnete Komplementär-Farbgruppen, 1946-58
Oil on canvas, 108 x 36 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Camille Graeser-Stiftung, Zürich

Camille Graeser (1892–1980) gehört zusammen mit Verena Loewensberg (1912–1986), Max Bill (1908–1994) und Richard Paul Lohse (1902–1988) zum Kern der Zürcher Konkreten, die sich in der Anfangsphase ideell nahe stehen, aber nie die Begründung einer eigentlichen Zürcher Schule der konkreten Kunst beabsichtigen. Wie seine Gesinnungsgenossen fasst Graeser die visuelle Gestaltung als etwas Umfassendes, Universales auf, das sich nicht auf einzelne Schaffensbereiche begrenzt– ist er doch selbst als Innenarchitekt, Maler, Plastiker, Produktgestalter und Grafiker tätig. Auch er sucht nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten für die Schaffung einer von der Natur unabhängigen Realität.

Der genau formulierte Titel des im Hochformat gehaltenen Ölgemäldes „Vier vertikal geordnete Komplementär-Farbgruppen“ umschreibt, worum es in Graesers Arbeit geht. Mit einer mittig gesetzten Horizontalen greift der Künstler in die Bildfläche ein. Sie fungiert nicht als teilende Linie, sondern entsteht durch das Zusammentreffen der ober- und unterhalb aufgereihten flächigen Formen. An der horizontalen Achse spiegeln sich Quadrate sowie Balken in den jeweiligen Komplementärkontrasten wider – schwarz-weiss, gelb-violett, rot-grün, blau-orange.

Innerhalb der Gemeinschaft der Zürcher Konkreten nimmt Graeser neben Verena Loewensberg insofern eine gesonderte Stellung ein, dass die beiden weniger streng und systematisch vorgehen als Bill und Lohse. Graeser und Loewensberg sind sich in einer stillen, aber souveränen Gelassenheit ähnlich, die ihnen erlaubt, vom Regelsystem abzuweichen und intuitive Entscheide zu berücksichtigen, wenn die Ästhetik des Bildes dies verlangt. Graeser wird erst 1937 vollends Künstler und gelangt 1943 zu einer Formensprache ohne Wirklichkeitsbezug. Konsequent baut er seine Bilder mithilfe mathematischer und geometrischer Ordnungsprinzipien auf. Die vorliegende Arbeit gehört einer Werkgruppe von dynamischen Balkenkonstruktionen an – den sogenannten „loxodromischen Kompositionen“, denen sich Graeser ab 1946 zuwendet. Linie und Fläche bilden den rationalen Aspekt, die Farbe hingegen ist der intuitive Faktor in Graesers Malerei und erhebt diese in seinen Worten zu „optischer Musik“. Wie kein Zweiter im Kreis der Konkreten weiss Graeser mit Farbe umzugehen und sieht sich selbst als ein Kind, das „im Zaubergarten des Kaleidoskops das Harmoniespiel einfacher Farbflächen“ entdeckt.

Karoliina Elmer

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