Öl auf Leinwand, 90 x 150 cm
Der im bernischen Nidau geborene Albert Trachsel (1863–1929) gilt zu seiner Zeit neben Ferdinand Hodler (1853–1918) und Cuno Amiet (1868–1961) als einer der bedeutenden Maler der Schweiz. Er verschafft sich in der Schweizer Kunstgeschichtsschreibung insbesondere als Landschaftsaquarellist einen Namen. Darüber hinaus ist der äusserst vielseitig begabte Trachsel auch architektonisch und literarisch tätig.
Trachsels Künstlerlaufbahn beginnt als Architekt: Nach Studien an der Genfer Ecole des Beaux-Arts und am Polytechnikum in Zürich bildet er sich in Paris an der Ecole des Beaux-Arts und bei verschiedenen Architekten weiter. Dort verkehrt er ab 1889 im Kreis der Symbolisten und macht Bekanntschaft u.a. mit Auguste Rodin (1840–1917), Paul Gauguin (1848–1903), Stéphane Mallarmé (1842–1898) und Paul Verlaine (1844–1896). Neben weiteren Schweizer Künstlern wie Hodler, Félix Vallotton (1865–1925) und Rodo de Niederhäusern (1863–1913) beteiligt sich Trachsel 1892 am 1. Salon de la Rose-Croix, wo er erste Blätter des Sammelwerks „Les fêtes réelles“ präsentiert. 1897 veröffentlicht er unter diesem Titel ein Album mit utopischen Tempel- und Kultbauentwürfen, die Vallotton dazu verleiten, in ihm den „Edgar Allan Poe der Architektur“ zu erkennen.
1901 kehrt Trachsel in die Schweiz zurück. Mit der Niederlassung in Genf gibt er die Architektur zugunsten von Malerei, Dichtung und Kunstschriftstellerei auf. Er beginnt mit Landschaftsaquarellen, die in der weiteren künstlerischen Entwicklung neben Blumen- und Früchtestillleben zunehmend an Bedeutung gewinnen.
„Landschaft am Salève“ gelangt 1987 als Dauerleihgabe der eidgenössischen Kunstsammlung in die Bestände des Aargauer Kunsthauses. Der Vordergrund der Darstellung ist in grüne und braune horizontale Streifen gegliedert, die durch blauviolette Striche deutlich voneinander abgegrenzt sind. Im Mittelgrund erheben sich niedriges Buschwerk und vereinzelte Bäume, die durch orangegelb gesetzte Tupfer akzentuiert werden. Die blauviolette Farbgebung wiederholt sich in den vom linken Bildrand nach rechts abfallenden Berghängen. Die erkennbaren Pinselspuren vermitteln eine fliessende Bewegung, die den Blick des Betrachtenden zu den weichen Hügelzügen im Bildhintergrund weiterführt. Ein hell erleuchteter und von Pastelltönen bestimmter Himmel rundet die Darstellung ab.
Die Forschung sieht in Trachsels Hauptwerk, das zwischen 1903 und 1914/15 entsteht, eine äusserst originelle Auseinandersetzung mit dem Naturvorbild der schweizerischen Landschaft, wobei die symbolistischen Bildinhalte der 1890er-Jahre beibehalten werden. Der Künstler selbst bezeichnet die zentrale Werkgruppe dieser Jahre „Paysage de rêve“. Unaufhörlich huldigt der Künstler in seinen Landschaftsbildern der Natur, genauso wie auch in seinen schriftlichen Zeugnissen – Bereiche, die Trachsel nicht strikte voneinander trennt. Getrieben von einer Reiselust, hält sich Trachsel im Tessin, ausserdem zahlreiche Male im Berner Oberland, in Savoyen, in Davos und in Deutschland auf. Nach 1914 beschränkt er sich in seiner Malerei jedoch auf die Region um Genf, wie auch im vorliegenden Ölgemälde. In seinen atmosphärischen, fantastischen Visionen gelangt Trachsel zu einem in der Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts ungemein freien Ausdruck. Dieser weicht in den Arbeiten seiner letzten Schaffensphase Bildern von schlichten Landschaften nach der Natur, die durch eine Reduktion auf das Vertraute aus der näheren Umgebung gekennzeichnet sind.
Karoliina Elmer