2-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, 08' 00''
Der in London lebende Schweizer Künstler Uriel Orlow (*1973) ist bekannt für seine kontemplativen Multimedia-Installationen, die um das Thema der Erinnerung kreisen. So auch in der Videoinstallation „In Concert“ (2005), die in der grossen Jubiläumsausstellung „Yesterday Will Be Better“ im Jahr 2010 im Kunsthaus zu sehen war. Auf zwei mittelgrossen Leinwänden, die sich schräg gegenüber stehen und an feinen Drähten hängend im Raum platziert sind, werden zwei Videos projiziert. Die erste Projektion zeigt einen Mann, die zweite eine Frau, beide in schwarz gekleidet auf einem Stuhl sitzend. Der Bildausschnitt ist so gewählt, dass nur die Körper der beiden Musiker vom Hals abwärts zu sehen sind. Der Pianist schlägt die Tasten eines nicht anwesenden Flügels an, die Cellistin wiederum streicht mit einem imaginären Bogen über die Saiten ihres fiktiven Instruments. Wir sehen die Musiker die Bewegungsabläufe pantomimisch ausführen, während wir die Musik, die sie zu erzeugen scheinen, im Raum hören. Aber weder das Cello noch der Flügel sind vorhanden. Fasziniert von der Performance der Künstler vergessen wir mit der Zeit fast, dass die Instrumente fehlen.
Uriel Orlow fragt in der Arbeit „In Concert“ nach dem Wesen der Erinnerung und wie sich diese in den Köper einschreibt. Er zeigt, dass sich erinnern ein geistiger, aber ebenso körperlicher Prozess ist. Die Frage nach der persönlichen Erinnerung erweitert der Künstler um die Frage nach der kollektiven. Die knapp achtminütige Videoinstallation hat er in Zusammenarbeit mit zwei Musikern der Royal Academy of Music in London realisiert. Sie interpretieren die ersten Passagen aus dem „Cellokonzert Nr. 1, op. 107“ von Dmitri Schostakowitsch. Der Russische Komponist, der mit seiner Musik den Opfern der sowjetischen Diktatur ein Denkmal setzen wollte, setzt sich in seinem ersten Cellokonzert von 1958 mit den Schrecken der Stalin-Ära auseinander. Uriel Orlow hat mit Schostakowitschs Cellokozert ein Werk gewählt, welches sich auf musikalische Weise mit der Geschichte des russischen Volkes während der Sowjetunion befasst und als autobiografisch gilt. Mit der Verbindung von privaten und kollektiven Erfahrungen und Erinnerungen verdeutlicht Uriel Orlow, dass Geschichte nicht von der Vergangenheit handelt, sondern immer Aspekte des Gegenwärtigen in sich trägt.
Katrin Weilenmann