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Florin Granwehr, Axiomat, o. J.
Stahl, 50.5 x 41.5 x 43 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Fotocredit: Philipp Hitz

In der stillen Umgebung eines Wohn- und Ateliergebäudes an der Südstrasse 81, einem verwinkelten, direkt an einen Rebberg angrenzenden, denkmalgeschützten Ensemble in Zürich-Riesbach, entsteht ab 1968 das Oeuvre von Florin Granwehr (1942–2019). Aus mathematisch-geometrischen Gesetzmässigkeiten heraus entwickelt, lebt es von innerer Logik und planvoller Strenge. Zugleich verleihen die Klarheit der Ausführung und eine ökonomische, fast schon immaterielle Leichtigkeit sowohl dem zeichnerischen als auch dem plastischen Schaffen eine vergeistigte Qualität. Insbesondere Winkel- und Zahlensysteme leiten Granwehrs bildnerisches Denken und manifestieren sich in immer neuen, teils umfangreichen Serien.

Zu den bekanntesten Werken des Künstlers gehören seine allein aus Kantstäben bestehenden monumentalen Plastiken im öffentlichen Raum. Sie tragen Titel wie „Raumwandler“ oder „Raumseiten“ und sind das Ergebnis des präzisen Durchdeklinierens einer spezifischen Grundkonstellation. Zu diesen Ideensträngen zählt auch die 1989 begonnene Gruppe der „Axiomaten“, die 1990 in der Aufstellung einer mehr als 7 Meter hohen Stahlversion am Schiffsteg Zürich-Wollishofen gipfelt. Aus dem Nachlass des Künstlers, der dank einem Initiativkomitee unter Federführung des Architekten und Künstlers Christoph Haerle auf verschiedene Deutschschweizer Museen verteilt und somit gesichert werden konnte, hat das Kunsthaus 2022 einen schwerpunktmässig auf ebendiese Werkgruppe ausgerichteten Korpus von 15 Plastiken als Schenkung empfangen. Die Auswahl umfasst zum einen eine Anzahl gelöteter kleiner Drahtskulpturen mit Skizzencharakter. Zum anderen beinhaltet sie einige kleinere und mittlere Formate aus Holz. Nicht jede Idee hat ihre Umsetzung in allen Stadien gefunden. Wo dies jedoch so ist, zeigt sich, wie sehr der Künstler immer auf den richtigen Massstab und den passenden Grad an linearer Prägnanz seiner Werke bedacht war. So unterscheidet sich der „Axiomat“ mit der Inventarnummer S8669 – der einzige Ankauf der Gruppe – von der Holzplastik S8663 nicht nur durch seine anderthalbfache Grösse. Auch der etwas härtere Licht- und Schattenkontrast, den das nur leicht mattierte Metall gegenüber dem RAL-Weiss des Holzmodells aufweist, ist von Belang. Stäbe mit orthogonalem Querschnitt und solche, die rautenförmig eingesetzt sind, heben sich dadurch deutlicher voneinander ab. Ebenso wird das Drehmoment klarer lesbar, das für viele von Granwehrs Arbeiten zentral ist und das im Beispielfall der „Axiomaten“ in der im Titel anklingenden Rotation um die Mittelachse besteht. Gänzlich erfahrbar wird die Durchdringung der nur über ihre Konturen definierten Kuben und Quadratflächen aber erst beim Umschreiten der Plastik. Obschon im Ansatz oft simpel, zeigt sich dabei die visuelle Komplexität, die Granwehrs Rhythmen dank eines ganzen Registers an Winkel- und Seitenteilungen, Umlenkbewegungen und Rücküberführungen in die nächste Ebene innewohnt. Diese Komplexität mag auch den Künstler geleitet haben, als er 1991 als Teil einer Reihe von Aperçus schrieb: „Der Kristall verliert sich in der Klarheit.“

Astrid Näff, 2023

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