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Hermann Huber, Am Abend, Um 1935
Öl auf Leinwand, 90 x 71 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung der Koch-Berner Stiftung
Fotocredit: Brigitt Lattmann

Das Gemälde „Am Abend“ schildert eine idyllische Szenerie im Freien. Ein horizontal verlaufender Fluss teilt die Hügellandschaft in zwei Bildpartien. In den oberen zwei Dritteln – kompositorisch betrachtet im Bildhintergrund – legen sich Felsen, Wiesen und bewaldete Landstriche in weichen Schichten übereinander und schliessen mit dem blauen Nachthimmel ab. Das untere Bilddrittel wird von einem Wiesenhügel bestimmt, der vom Fluss aufsteigend die Betrachtenden geradezu ins Bild hineinzieht. Im Vordergrund wird eine im Gras liegende Frau von zwei musizierenden Knaben flankiert. Etwas abseits der Gruppe hockt ein Hund und blickt hinunter ins Tal, wo sich ein Hof oder eine Siedlung befindet.

Der Zürcher Maler und Zeichner Hermann Huber (1888–1967) fertigt das Bild im Jahr 1935. Zwei Jahre zuvor ist er mit seiner Familie nach Sihlbrugg in das sogenannte „Jägerhaus“ gezogen, wo er bis zu seinem Tod ein zurückgezogenes Leben führt. Die umtriebigen Studien- und Arbeitsjahre im In- und Ausland (Deutschland, Frankreich, Italien und Palästina), in denen er mit zahlreichen Künstlern und Strömungen in Kontakt gekommen ist, sind vorbei. Seine letzte Schaffensphase dient der stilistischen Konsolidierung und thematischen Festlegung. „Am Abend“ reiht sich ein in einen Kanon aus Familienbildern und idyllischen Landschaften, die ein schweizerisches Arkadien beschreiben: Im Glauben an eine harmonische Weltordnung paart Huber dabei Realismus mit Idealismus. In warmen Farbtönen und mit einem fleckigen Pinselduktus erzeugt er eine mystische Bildstimmung. Das Auffächern der Farbe in kleinste schimmernde Tupfen erinnert an die Malweise von Hubers Künstlerfreund Otto Meyer-Amden (1885–1933) oder des französischen Impressionisten Auguste Renoir (1841–1919). Allerdings ist Huber – anders als die Impressionisten – nicht an der Flächengestaltung interessiert, sondern am plastischen Potenzial der Farbe. Anlässlich Hubers Retrospektive im Aargauer Kunsthaus 1979 spricht Direktor Heiny Widmer treffend von einer „flockig hingesetzten Pinselschrift“, die sich zum „straffen, linienhaft modellierten Gewebe“ verwandelt. Mit diesem nuancierten Kolorismus läutet Huber um 1918 eine Werkphase ein, die sich stilistisch von den ersten zwölf Jahren seiner Karriere abhebt: Stehen die malerischen Anfänge noch unter dem Einfluss von Hubers Vorbild Ferdinand Hodler (1853–1918) und folgen den Ideen von Symbolismus und Jugendstil, so nähert sich seine Kunst ab 1911 den farbstarken und formal reduzierten Stilmitteln von Fauvismus und Expressionismus an. Als Mitbegründer der avantgardistischen Künstlergruppe „Moderner Bund“ pflegt er während seiner erfolgreichsten Jahre eine expressive, bunte und kräftig konturierte Malweise, die erst ab 1918 in eine feine Farbpalette und Pinselführung umschlägt.

Entgegen seiner stilistischen Wandelbarkeit bleibt der Künstler seinem Kernthema treu: der Figur. Diese bewegt sich im Spätwerk zwischen kindlicher Heiterkeit, religiöser Frömmigkeit und helvetischer Naturverbundenheit. Damit trifft Huber in den 1930er-Jahren den Geschmack der offiziellen Schweizer Kunstförderung, die auf die beunruhigenden Entwicklungen im benachbarten Deutschland durch Politisierung der eigenen Kunst reagiert. Gewünscht wird eine gegenständliche, leicht lesbare Kunst, die im Sinne der „geistigen Landesverteidigung“ Schweizer Werte betont. Harsche Kritik trifft dagegen die Avantgardisten, sprich die Abstrakten und die Expressionisten sowie die Surrealisten mit ihren düsteren Traumbildern und fantastischen Visionen. In diesem Widerstreit besetzt Huber eine Zwischenposition. Nachdem er viele Jahre der Avantgarde nahestand, beruhen seine Spätwerke auf Tradition und Ideal. Wenig verwunderlich ist es daher, dass das Gemälde „Am Abend“ 1981 in der Ausstellung „Dreissiger Jahre Schweiz – Ein Jahrzehnt im Widerspruch“ im Kunsthaus Zürich unter der Kategorie der sehnsüchtigen Heimatbilder auftaucht. Abermals als Paradebeispiel für die Schweizer Kunst der 1930er-Jahre nimmt es 2018 in der Ausstellung „Surrealismus Schweiz“ im Aargauer Kunsthaus einen Platz ein.

Julia Schallberger

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