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Jean Daniel Ihly, Am Genfersee, 1892
Öl auf Leinwand, 38 x 58 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Legat Kurt Lindt
Fotocredit: Brigitt Lattmann

Am Genfersee entsteht 1892, in dem Jahr, als Jean Daniel Ihly (1854–1910) in seine Geburtsstadt Genf zurückkehrt. Nach seiner Ausbildung von 1873 bis 1876 im Atelier des Malers Barthélemy Menn (1815–1893) zieht Ihly nach Paris, wo seine künstlerische Laufbahn einsetzt: Ab 1882 präsentiert er seine Werke regelmässig an Ausstellungen in Frankreich und in Genf. Die Anerkennung als bedeutender Vertreter der Genfer Schule des Paysage intime kommt Ihly erst spät zuteil, namentlich in der Deutschschweiz, als ihm 1909 eine Sonderausstellung im Zürcher Helmhaus den verdienten Erfolg beschert.

Bei seiner Rückkehr in die Heimat richtet Ihly sein Augenmerk auf Landschaften und Genreszenen. Im vorliegenden Gemälde, das sich seit 1951 als Legat Kurt Lindts im Aargauer Kunsthaus befindet, wählt der Künstler einen Standort am Ufer in Hermance – das letzte Schweizer Dorf auf der französischen Seite des Genfersees – und richtet seinen Blick gegen Norden. Vom unteren Abschluss in der rechten Bildhälfte führt ein schmaler, befestigter Weg den Blick der Betrachtenden in die Tiefe. An seinem Ende lässt sich eine Figur mit rotem Schirm ausmachen. Rechts ist eine Wiese mit einem Wäldchen angedeutet, und auf der linken Seite erstreckt sich die ruhige Seefläche, auf der sich einige Boote abzeichnen. Im Hintergrund schliessen das gegenüberliegende Schweizer Gestade und die Jurakette das Gemälde ab.

Ihly fängt einen friedlichen Mittagsmoment ein. Durch die Themenwahl gegeben ist die bildparallele Gliederung, die durch die Bäume als senkrechte Akzente ein Gegengewicht erhält. Zusätzlich ergibt sich zwischen den kräftigen Grüntönen der Parkanlage und den blass-kühlen Abstufungen der linken Bildhälfte ein farblicher Kontrast. In seinem klaren Aufbau und in der flächigen Darstellungsweise weist das Ölbild eine Verwandtschaft zu Ferdinand Hodlers (1853–1918) Schaffen auf. Die beiden Maler lernen sich bereits während der Ausbildungszeit bei Menn kennen und dekorieren 1896 zusammen den Kunstpavillon an der Schweizerischen Landesausstellung. Im Gegensatz zu Hodler, der sich schliesslich dem Symbolismus zuwendet, bleibt Ihly der geistigen Orientierung des Lehrmeisters treu und widmet sich feinen Stimmungsschilderungen in der Tradition Jean-Baptiste Camille Corots (1796–1875). Ihly führt somit Menns Anliegen, den französischen Impressionismus in die Malerei der Westschweiz einzuführen, entscheidend weiter und gilt als dessen früher Vertreter in der Schweiz.

In seinen besten Gemälden huldigt Ihly schlichten Landschaftsmotiven, die einer präzisen, linearen Bildstruktur folgen. Augenscheinlich manifestiert sich die Vorliebe des Künstlers für die impressionistischen Errungenschaften in der Bevorzugung heller Farbtöne, die sich in der Verwirklichung zahlreicher heimischer Frühlings- und Winteransichten widerspiegelt. Als einer der Ersten arbeitet Ihly im Freien. Durch das genaue Studium des Lichts und der Atmosphäre bannt er das Wesentliche eines Ortes in seinen Werken. In den stimmungsvollen Bildern kommt Ihly seinem Anspruch nach, das Geschaute gemäss den Vorgaben der Natur umzusetzen, und gelangt darüber hinaus zu einer freieren Auffassung der Landschaftsdarstellung.

Karoliina Elmer

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