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François-Louis-David Bocion, Blick auf den Genfersee, 1828 - 1890
Öl auf Papier auf Karton, 11 x 29 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: gemeinfrei

Der Waadtländer Maler François Bocion (1828–1890) erlangt in erster Linie mit Landschaften und Seeansichten Bekanntheit. Bei „Blick auf den Genfersee“ handelt es sich um eine Pleinair-Skizze in gedämpften Grün- und Beigetönen, in der Bocion vermutlich ein Motiv in der Gegend des Genfersees festhält. Im betonten Querformat schiebt sich vom rechten Bildrand ein leicht abfallender Hügelzug bis über die Mitte hinein. Auf der linken Bildseite wird der Blick über Kirchtürme in die Tiefe auf den entfernten See geleitet. Dem Künstler gelingt es, aus einer schlichten Ansicht durch den Gegensatz von Nähe und Weite eine malerische wie auch formale Spannung zu erzeugen und uns Betrachtenden ein Raumerlebnis zu ermöglichen.

Nach ersten künstlerischen Anleitungen bei François Bonnet (1811–1894) in Lausanne, reist Bocion 1835 nach Paris, wo er zunächst von Louis-Aimé Grosclaude (1784–1869), dann an der von Charles Gleyre (1808–1874) geleiteten freien Akademie unterrichtet wird. Zurück in Lausanne wird er 1849 Zeichenlehrer an der dortigen Ecole industrielle, an der er in den folgenden 41 Jahren als Lehrer tätig sein wird.

Sein Œuvre zeugt v.a. zu Beginn seiner Karriere von grosser Diversität: Zunächst widmet er sich Historiengemälden, malt Theaterszenen, Figurenporträts und Tierdarstellungen, mit denen er sich rege an Ausstellungen beteiligt. Er wird sich dann aber des Umstandes bewusst, dass er sehen muss, was er festhält. Wie andere Schweizer Künstler zur gleichen Zeit stellt Bocion Aspekte der akademischen Ausbildung in Frage und sucht die direkte Inspiration im alltäglichen Leben und in der Natur. Bocion reiht sich ein in die künstlerische Auffassung eines Jean-Baptiste Camille Corots (1796–1875) und der Schule von Barbizon, die von Barthélemy Menn (1815–1893) und weiteren Genfer Künstlern aufgegriffen wird. Wie stark die Werke Gustave Courberts (1819–1877) den Waadtländer prägen, bleibt offen. Bocion zeigt von Beginn weg Interesse für den Realismus, setzt sich aber nicht mit der gleichen Intensität wie Courbet damit auseinander. In kürzester Zeit gelangt Bocion zu einer Synthese, die sich einerseits aus realistischen Ansichten, andererseits aus der direkten Beobachtung des Motivs speist. Seine persönliche Position kündigt durch Pleinair-Studien, Berücksichtigung des alltäglichen Lebens und die helle Farbpalette bereits den Impressionismus an und führt ihn im Vergleich zu französischen Impressionisten zu einer zurückhaltenden sowie fragileren Bildsprache. Zwischen 1870 und 1890 widmet sich Bocion ausschliesslich der Landschaft. Er bereist Italien, hält sich in Rom, Venedig, Bordighera und San Remo auf, aber seine Vorliebe gilt der Gegend um den Genfersee: Beinahe systematisch untersucht er seine Ufer und hält das Gewässer bei Tages- und Nachstimmungen, mit ruhiger Fläche, bei Sturm und allen jahreszeitlichen Veränderungen fest. Zu Recht wird er als „Le peintre de Léman“ bezeichnet. Obwohl Bocion Fischer, Spaziergänger, Bootsfahrer oder Sonntagsausflügler in seinen Darstellungen integriert, bleibt der See das wichtigste Element seiner Inspiration und den Figuren kommt bloss eine belebende Funktion zu.

Besondere Erwähnung gebührt Bocions Qualität als Kolorist: Auf subtilste Art und Weise weiss er Farbtöne zu immer wieder neuen Variationen zu vereinen und Stimmungen zu evozieren, die ihn im Vergleich zu Schweizer Malerkollegen auszeichnet.

Karoliina Elmer

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