Tusche (Feder und Pinsel) laviert auf Papier, 21.5 x 27 cm
Der in Aarau geborene Zeichner, Maler und Grafiker Johannes Robert Schürch (1895–1941) gehört neben René Auberjonois (1872–1957), Alberto Giacometti (1901–1966), Louis Soutter (1871–1942) und Otto Meyer-Amden (1885–1933) zu den bedeutenden Schweizer Zeichnern des 20. Jahrhunderts. 1976 richtet Heiny Widmer, damaliger Direktor des Aargauer Kunsthaus, eine grosse Retrospektive zu Johannes Robert Schürch aus. 1987 werden unter der Leitung von Beat Wismer vierzig Arbeiten in die Sammlung aufgenommen, wodurch der Bestand zu einem Schwerpunkt ausgebaut wird.
In der vorliegenden dunklen Tuschezeichnung wendet eine „monströse Gestalt“, die im Titel als Tod angekündigt wird, den Betrachtenden ihr knöchernes Antlitz zu. Die rechte Bildhälfte wird von ihrer ausgezehrten Hand eingenommen, in der sie eine Sanduhr hält. Einen Gegensatz zu den feinen Federstrichen bildet der von grosszügigen Pinselstrichen belebte Hintergrund, an dessen unterem Rand sich die Häuserreihen einer Stadt abzeichnen.
In Schürchs Œuvre, in dem Zeichnungen neben Ölmalereien und Aquarellen das Gros ausmachen, widerspiegelt sich eine Feststellung des Kunsthistorikers Theo Kneubühler aus dem „Aargauer Almanach auf das Jahr 1975“: „Man kann keine Studie schreiben über die Form Schürchs. Er war Zeichner. Das ist keine Technik, sondern Haltung. Die Welt immer erfassen im Zustand ihrer Werdung.“ In erster Linie zeugen Zeichnungen in Tusche, seltener in Bleistift, von der Vorliebe des Künstlers für Schwarz-Weiss-Kontraste. Neben der Bevorzugung des Mediums ist Schürch aus finanziellen Gründen dazu gezwungen, auf kostspielige Ölfarben und Leinwände fast ganz zu verzichten.
Bereits in seiner Kindheit wird die künstlerische Begabung Schürchs erkannt, und als die Mutter sowohl ihren Gatten als auch die beiden Töchter früh verliert, erklärt sie die Förderung ihres Sohnes zum einzigen Lebensinhalt. Nach erstem Unterricht bei Ernst Otto Leuenberger (1856–1937) nimmt sich Ferdinand Hodler (1853–1918) seiner an, zu dem Schürch bis zu dessen Tod in enger Verbindung steht und der ihn entscheidend prägt. Zeitlebens hat Schürch ein starkes Bedürfnis nach Einsamkeit, das ihn mit seiner Mutter zunächst in das Wallis führt, bevor sie sich in Monti oberhalb Locarnos in ein Rebhaus zurückziehen. Die dortige Abgeschiedenheit ist eine wichtige Voraussetzung für Schürchs künstlerische Entwicklung, denn in der Isolation findet er zu seinem ihm angemessenen Ausdruck: Nächtelang fertigt Schürch Hunderte Zeichnungen von ausserordentlicher Spontaneität. Getrieben von inneren Bildern verwirft der Künstler, was nicht sogleich gelingt, und fängt von Neuem an. Schürch wird früh bewusst, dass er seine künstlerischen Absichten in der Zeichnung am direktesten ausdrücken kann: „Durch die Farbe können wir die Natur viel weniger wiedergeben als in der Zeichnung. Durch die Farbe drückt man sich schlecht aus…“
Karoliina Elmer