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Cuno Amiet, Frauenportrait (Annel), 1910
Öl auf Leinwand, 60 x 55 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Daniel Thalmann, Aarau, Switzerland
Fotocredit: Brigitt Lattmann

Das Frauenporträt zeigt Anna Amiet (1874–1953), die Frau von Cuno Amiet (1868–1961), im Profil, ihr Oberkörper ist in Dreiviertelansicht dargestellt. Amiet stellt das Bild 1910, im Jahr seiner Entstehung, an der X. Nationalen Kunstausstellung im Kunsthaus Zürich aus, wo es der Aargauische Kunstverein erwirbt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Ehepaar bereits seit zwölf Jahren verheiratet. Am 16. Juni 1898 feiern sie ihre Hochzeit; Amiets enger Freund, der Künstler Giovanni Giacometti (1868–1933), ist Trauzeuge. Amiet lernt Anna im beschaulichen Berner Dorf Hellsau kennen. Hierhin kommt der in Solothurn aufgewachsene Amiet erstmals als 18-Jähriger mit seinem damaligen Lehrer, dem aus Feldbrunnen (Kanton Solothurn) stammenden Künstler Frank Buchser (1828–1890), und wird von diesem in die Freilichtmalerei eingeführt. Zwischen 1886 und 1898 arbeitet Amiet immer wieder in Hellsau und verliebt sich in die Wirtstochter des „Freienhofs“. Nach der Hochzeit zieht das junge Paar auf die nahe gelegene Oschwand. Hier finden sie nicht nur ihre neue Heimat, der malerische Ort bietet Amiet eine reiche Motivwelt für sein Schaffen. Auch Anna Amiet bleibt ihm zeitlebens Muse und Inspiration, wie zahlreiche Bildnisse bezeugen, die Amiet von ihr malt. An ihnen lässt sich chronologisch Amiets stilistische Vielfalt nachvollziehen, die sein Werk auszeichnet.

Das Gesicht seiner Annel gestaltet Amiet im Porträt von 1910 mit zarten Pastelltönen. Er hält ihre feinen Züge mit kurzen, teilweise parallel verlaufenden Strichlagen fest. Die Konturen des Profils sind durch eine dunkel gezogene Linie definiert. Diese die Form umschliessende Linie ist partiell auch an der Hutkrempe weitergeführt. Das Hutmotiv taucht bei Amiet verschiedentlich auf – seine Frau stellt er mehrmals mit Hut dar –, und auch weitere Modelle, wie etwa seine Solothurner Sammlerin Gertrud Dübi-Müller (1888–1980), porträtiert er mit eleganter Kopfbedeckung. Im grossen, in Orange- und Rottönen gehaltenen Hut von Anna Amiet erzeugt der Maler mit komplementären grünen Pinselstrichen Lebendigkeit. Noch auffälliger ist der kräftige Kontrast zwischen dem orangefarbenen Hut und dem leuchtend blauen, dekorativen Haarband, das Anna Amiet in ihre hochgesteckten Haare eingeflochten hat.

Gegenüber diesem wirkungsvollen Effekt der Komplementärkontraste, den Amiet in vielen seiner Werke einsetzt, verzichtet er bei der Darstellung von Anna Amiets Kleid und dem Hintergrund auf eine starke Farbigkeit. Das Gewand ist flüchtig, beinahe skizzenhaft formuliert, nur das Revers ist mit entschiedenen, lang gezogenen Strichen dargestellt. Die hellen Farben des Kleides verschmelzen gleichsam mit dem monochrom gehaltenen Hintergrund. Die Einbindung der Figur in die Bildfläche unterstreicht die unaufgeregte Wirkung dieses Bildes. Auffällig ist die sorgfältig dargestellte Halskette von Anna Amiet, die sie sich mehrmals umgebunden hat und offensichtlich gerne trägt, ist sie doch auf weiteren Bildnissen von ihr zu entdecken.

Das Porträt seiner Frau bestätigt Amiets Rolle als Wegbereiter der Moderne in der Schweiz. Es zeugt von seiner Auseinandersetzung mit der französischen Malerei und von der Bezugnahme auf die frühen Impulse aus Pont-Aven, die er im Malerkreis um Paul Gauguin (1848–1903) in den Jahren 1892/93 aufnimmt. In der bretonischen Künstlerkolonie entwickelt er ein prägendes Verständnis für Form und Farbe, worauf er sich später im Bildnis von Anna bezieht. Es gehört zum expressiven Frühwerk Amiets, das sich durch einen kühnen Umgang mit Farben und leuchtenden Kontrasten auszeichnet. Auch nutzt er in dieser Schaffensphase das Gestaltungsmittel der Monochromie. Die monochrome Malweise des Hintergrunds mit dem deutlich sichtbaren Pinselduktus und der Verzicht auf Anekdotisches ist auf Amiets Beschäftigung mit Vincent van Gogh (1853–1890) zurückzuführen, dessen Malerei er in jenen Jahren intensiv studiert.

Patricia Bieder, 2019

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