Öl auf Leinwand, 81 x 100 cm
Das Gemälde „Häuserblock in Paris. Porte de Châtillon, Boulevard Brune“ von 1936 zeigt den Ausblick aus Cuno Amiets (1868–1961) Pariser Wohnung am Boulevard Brune, in der sich der Schweizer Maler in den 1930er-Jahren regelmässig aufhielt.
Die Komposition der Stadtlandschaft basiert auf einer in ihrer Einfachheit fast radikalen Anlage. Der Horizont unterteilt die Leinwand in zwei gleich grosse Flächen, wobei die obere von einem farblich nur leicht modulierten Himmel besetzt ist. Der untere Bildteil wird von einem imposanten Häuserblock dominiert, neben dem rechter Hand der Boulevard Brune perspektivisch in die Bildtiefe hineinführt. Das abgebildete Gebäude war Sitz einer Handelsgesellschaft, die Warenzölle einbrachte und bei der Henri Rousseau (1844–1910) bis 1893 seinem Broterwerb nachging, bevor er sich ganz der Malerei zuwandte. Inwiefern dieser Tatbestand für Cuno Amiets Motivwahl von Bedeutung war, lässt sich nur mutmassen. Neben der Überbauung kommt der Grünfläche im Bildvordergrund eine wichtige Rolle zu, eine ungepflegte Brache, der die getrampelten Fusswege der Passanten eine Strukturierung verliehen haben. Das Abendlicht fällt wie ein gerichteter Theaterscheinwerfer auf das Gebäude und hebt den Baukörper von der tonal reduzierten Umgebung ab. Farblich wird die graubraune Fassade in ein pastellenes Lachsrosa getaucht, worin sich der Farbkünstler Cuno Amiet zu erkennen gibt.
Cuno Amiets Bestreben, eine authentische Stadtlandschaft zu malen, ist deutlich spürbar. So wendet er sich denn auch nicht den bekannten Monumenten zu und präsentiert keine idyllische Postkartenansicht der Seine-Metropole, sondern beschäftigt sich mit dem alltäglichen, urbanen Paris – mit der Stadt vor seinem Fenster.
Innerhalb von Cuno Amiets Schaffen nimmt das Ölgemälde eine besondere Stellung ein, einerseits wegen der Sujetwahl und anderseits durch deren künstlerische Umsetzung. So hebt sich das Motiv dieser rauen Stadtszenerie von Cuno Amiets favorisierten Themen wie Figurenbild, Landschafts- und Naturdarstellung ab. Sein gesamtes Œuvre ist zudem von einer sinnlichen Farbigkeit und inhaltlichen Leichtigkeit bestimmt, auf welche der Künstler bei „Häuserblock in Paris“ zugunsten einer Hinwendung zur (fast) ungeschönten Lebensrealität verzichtete.
Unser Bild ist Teil einer kleinen Werkgruppe mit ähnlichen Pariser Stadtlandschaften, wobei das Gemälde „Porte de Châtillon Paris“ (1935) im Kunstmuseum Thun kompositorisch dem unsrigen am nächsten liegt. Das ausserordentliche Werk gelangte, zusammen mit weiteren Arbeiten, als Depositum aus einer Schweizer Privatsammlung in unsere Bestände.
Madeleine Schuppli, vor 2018