Holz, lackiert, 153 x 310 x 34 cm
Zwischen dem bedeutenden Schweizer Gegenwartskünstler Markus Raetz (*1941) und dem Aargauer Kunsthaus besteht eine lange Beziehung: Heiny Widmer (1927–1984) – Direktor von 1970 bis 1984 – erwirbt in den 1970er-Jahren eine Gruppe von Papierarbeiten und widmet dem Künstler 1981 eine grosse monografische Ausstellung. Weitere Ankäufe für den Aufbau einer gültigen Werkgruppe kommen dennoch erst in den letzten Jahren zustande, nachdem Raetz 2005 in der umfassenden Retrospektive „Nothing is lighter than light“ erneut in Aarau präsentiert worden ist – getätigt werden.
Nach einer Ausbildung zum Primarlehrer sowie ersten Erfahrungen in diesem Beruf, beginnt Raetz 1958 sein künstlerisches Schaffen. Seit 1963 ist er als freier Künstler tätig. Schnell fasst er Fuss in der Berner Kunstszene und wird entscheidend geprägt durch den Kontakt zur Kunsthalle Bern, namentlich zu Harald Szeemann (1933–2005) und Jean-Christophe Ammann (*1939). Raetz ist ein ausgesprochener Zeichner und sagt von sich selbst, dass er gezeichnet hat, seit er denken kann. Er führt ein „journal de bord“, in dem er das festhält, was ihn beschäftigt, was er sieht und empfindet. Obwohl sich Raetz‘ vielschichtiges Werk durch eine Offenheit gegenüber bildnerischen Mitteln auszeichnet – er erschafft Zeichnungen, Fotografien, Druckgrafiken, Objekte, Installationen –, zieht sich die Auseinandersetzung mit Fragen der Wahrnehmung wie ein roter Faden durch sein gesamtes Œuvre.
Das aus Holz gefertigte Wandobjekt „High Noon“ ist ein Fragment der Arbeit Schema, die bei einem Atelierbrand zerstört wird. Es gibt eine kühle, abstrakte, luftleer scheinende Landschaft in den Farben Schwarz, Weiss und Grau wieder. Ein weisses, dreidimensionales Quadrat mit eingefräster Gitterstruktur greift in den Raum aus. Rechts daneben erstreckt sich eine ebenfalls weisse Fläche, in der ein schwarz-weisser Zylinder, perspektivisch verkürzt, Tiefe suggeriert. Im Hintergrund bildet ein schwarzer, typisierter Hügelhorizont den Abschluss.
Wie in fast allen seinen Arbeiten führt uns Raetz auch hier vor Augen, dass sich unserer Wahrnehmung nicht eine einzige Realität bietet, sondern sich abhängig von Standort, Zeitpunkt oder Bewegung unterschiedliche Wirklichkeiten offenbaren, und dass unser Sehen an bestimmte Umstände sowie eigene Erfahrungen gebunden ist. In der auf wenige Formen reduzierten Darstellung „High Noon“ eröffnet sich ein Spiel mit Raum und Fläche: Je nach Blickwinkel entpuppt sich das Werk als dreidimensionale Vortäuschung oder als tatsächlich raumgreifender geometrischer Körper.
Karoliina Elmer