2-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, 14' 00''
Das zentrale Medium im Schaffen von Seline Baumgartner (*1980) ist Video. Nachdem sie an der Züricher Hochschule der Künste studiert hatte, lebt die Künstlerin heute vornehmlich in New York. Dort ist auch ihre neuste Arbeit entstanden, die zwei Kanal HD Installation „If it is as if it“ (2012). Geschaffen hatte Seline Baumgartner dieses, in ihrem bisherigen Schaffen wohl aufwändigste Werk, anlässlich der Ausstellung „La jeunesse est un art“ im Aargauer Kunsthaus. Der Ankauf dieses Werks ist Teil des Bestrebens, dem Schweizer Videoschaffen in unserer Sammlung mehr Gewicht zu geben.
Seline Baumgartner hat vier ehemalige Tanz-Koryphäen dazu eingeladen, aus ihrem jeweiligen Repertoire eine Choreografie zu entwickeln. Es war nicht einfach, die in die Jahre gekommenen Tänzerinnen und Tänzer dafür zu gewinnen, mit über 60 Jahren nochmals für die Öffentlichkeit zu performen. Die Künstlerin liess ihnen viel Freiraum, was wir sehen sind grösstenteils Improvisationen der Akteurinnen und Akteure. Diese bewegen sind mit eindrücklicher Präzision und Grazie, wenn auch nicht mehr mit ihrer ursprünglichen Geschmeidigkeit. Die Bilder zeugen vom Mut, sich als bejahrter Tänzer nochmals zu exponieren, vom Prozess des Alterns und dem damit einhergehenden Verlust körperlicher Fähigkeiten. Gleichzeitig setzt diese Arbeit einen Kontrapunkt zu einem allgegenwärtigen Jugendkult und zu allzu engen Vorstellungen davon, was physische Schönheit, Ausdruck und Sinnlichkeit bedeuten. Eleganz, Würde und Ausstrahlung sind unabhängig von Beweglichkeit und Kraft. Im Titel „If it is as if it“ bezieht sich die Künstlerin auf die Poesie von Gertrude Stein. Der Passus entstammt einem Gedicht, in dem die amerikanische Schriftstellerin über die Vergänglichkeit reflektiert.
Die Tänzerinnen und Tänzer sind teils ehemalige Mitglieder von Merce Cunnighams Kompanie und die Aufnahmen sind im ehemaligen Tanzstudio dieses Meisters des modernen Tanztheaters entstanden. Die leeren, geschichtsträchtigen Räumlichkeiten mit den stimmungsvollen Ausblicken auf die Stadt New York bilden eine Kulisse von Grosszügigkeit aber auch einer gewissen Melancholie. Die sich einzeln und in Gruppen bewegenden Tänzerinnen und Tänzer scheinen auf sich selber zurück geworfen, wie letzte Zeugen einer einst quirligen Geschehens. Atmosphärisch von grosser Bedeutung ist für „If it is as if it“ der Ton. Momente der Stille und des Klangs sind präzise gesetzt und Seline Baumgartner ist bei der nachträglichen Vertonung der Bilder äusserst subtil vorgegangen. Den experimentellen Charakter des Tanzes hat sie aufgenommen und auch alltägliche Geräusche, wie dasjenige von reissendem Papier, in ihre Klangwelt integriert. So ergibt sich ein eindringlicher Dialog zwischen Bild und Klang.
Madeleine Schuppli