Öl auf Leinwand, 200 x 140 cm
Der Schweizer Maler Wilhelm Schmid (1892–1971) löst 1920 mit den Werken „Luna“, „Gelbe Musikanten“ und „Traum des Pierrots“ an der „Juryfreien Berliner Ausstellung“ einen Skandalerfolg aus. Der Journalist Paul Landau beschreibt das monumentale Ölgemälde „Luna“, auch „Mona Luna“ oder „Frau Luna“ genannt, damals als „ein mondgelbes nacktes Ungetüm mit breitem Hut und schwarzweissgrünen Strumpfbändern, umgeben von abendroten Kulissen, aus denen groteske blasse Wesen hervorlugen, umschattet von Nachtpflanzen, sich abhebend von einem dunkelblauen Himmel – eine phantastische Pierrot lunaire Stimmung!“
In der Sammlung des Aargauer Kunsthauses befinden sich neben wenigen Zeichnungen vornehmlich Gemälde, die Landschaften, Stillleben und Porträts aus Schmids gesamter Schaffensphase umfassen. Der im Kanton Aargau geborene Künstler wird zum Bauzeichner ausgebildet und lässt sich 1912 in Berlin nieder, wo er in verschiedenen Büros angestellt ist, bevor er bis 1916 als selbstständiger Architekt und Innenarchitekt tätig ist. Bis auf einen Kurs in Figurenzeichnen ist Schmid als Maler Autodidakt, dessen Ausbildung aus der intensiven Auseinandersetzung mit der Kunst resultiert. Als Mitbegründer der avantgardistischen „Novembergruppe“ erhält er anregende Impulse, denn die Vereinigung versteht es, Maler, Bildhauer, Architekten und Musiker um sich zu scharen, die auch ohne einheitliche stilistische Prägung gemeinsame Ziele formulieren. Schmid zählt zum harten Kern und bleibt bis 1933 Mitglied der Gruppe. Trotz Auslandaufenthalten in Paris und Reisen nach Florenz, Rom sowie in das Tessin beteiligt er sich rege an deren Ausstellungen. Um 1920 gibt er den erlernten Beruf auf und widmet sich fortan der Malerei. Rasch wird Schmid bekannt und feiert auch als Wandmaler beachtliche Erfolge.
Charakteristisch für Schmids frühe Figurenbilder ist die Anlehnung an Theaterszenen, wie es sein wohl berühmtestes Werk „Luna“ vor Augen führt, in dem die Hauptfigur auf einem bühnenähnlichen Podest steht. Mit dem Titel verweist Schmid möglicherweise auf die Operette „Frau Luna“ von Paul Lincke, die 1899 in Berlin uraufgeführt wird. Darüber hinaus kann es auch als Programmbild für eine neue Auffassung der Malerei verstanden werden, die sich in der Formensprache der prominent platzierten gelben Frau und des Hintergrunds äussert. Rechts dominieren grossstädtische Motive: rote, hintereinander gestaffelte Kulissen und typisierte Figuren eines Studenten, eines Richters und eines Gefangenen. Die linke Seite ist Pflanzen und Blüten in vereinfachter Form vorenthalten. Sie erinnern an Werke des französischen Malers Henri Rousseaus (1844–1910), die damals im Kreis der internationalen Avantgarde interessiert aufgenommen werden. Das behandelte Thema, die Grossstadt, ist noch typisch für den Expressionismus, aber die formale Gestaltung – ein statisches Bild mit sauber abgegrenzten Flächen in Schmids schriller Farbigkeit – verweisen bereits auf die Prinzipien der Neuen Sachlichkeit, die für sein weiteres Schaffen bestimmend bleiben werden und ihn als einen der wenigen Schweizer Vertreter dieser künstlerischen Strömung ausweisen.
1937 wird Schmid unter den als „entartet“ bezeichneten Künstlern aufgeführt und seine Werke werden aus den Museen entfernt. Einige seiner wichtigsten Arbeiten wie „Luna“ oder „Madame Dubarry“ (1921, Museo Wilhelm Schmid, Lugano) kann er rechtzeitig in die Schweiz retten, wohin auch er mit seiner jüdischen Frau Maria Schmid-Metz flieht. Obwohl Schmid in der Schweiz einige Wandbilder fertigen kann und seine „Apotheose der Landarbeit“, die ländliche Motive im Sinne der „geistigen Landesverteidigung“ berücksichtigt, 1939 an der Landesausstellung mit einem Preis ausgezeichnet wird, gelingt ihm weder der Anschluss an die Schweizer Kunstszene noch trifft sein Schaffen hier auf fruchtbaren Boden.
Karoliina Elmer