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Hans Ernst Brühlmann, Mädchen auf dem Hügel, 1907
Öl auf Leinwand, 100 x 100 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung
Fotocredit: Jörg Müller

Zu Lebzeiten nur wenigen bekannt, behauptet sich das Schaffen des Ostschweizer Malers Hans Brühlmann (1878–1911) nach seinem frühen Tod als bedeutender schweizerischer Beitrag an der Schwelle zur Moderne. Nach einer Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Zürcher Kunstgewerbeschule sowie Aufenthalten in der Künstlerkolonie Nidelbad nimmt Brühlmann auf Empfehlung seines künstlerischen Mentors Hermann Gattiker (1865–1950) 1899 seine Studien an der Stuttgarter Akademie auf, wo er gemeinsam mit Karl Hofer (1878–1955) und Hermann Haller (1880–1950) zum Meisterschüler avanciert. Als besonders prägend erweist sich der Unterricht beim progressiven Adolf Hölzel (1853–1934) ab 1905, welcher die Entwicklung einer eigenständigen künstlerischen Ausdrucksform vorantreibt. Neben weiträumigen Landschaften sowie einigen Stillleben entstehen in der folgenden Studienzeit vor allem monumentale Frauenakte, die selbstbewusst vom erworbenen akademischen Können und vom Mut zur grossen Form zeugen.

In diese Phase hoher Produktivität fällt auch die Entstehung des Gemäldes „Mädchen auf dem Hügel“. Mit dem grossformatigen Frauenakt in stilisierter Landschaft greift der Künstler auf einen weitverbreiteten Prototyp des Symbolismus und des Jugendstils zurück, der etwa auch bei Ferdinand Hodler (1853–1918) und Félix Vallotton (1865–1925) zu finden ist. Stilistisch versucht sich Brühlmann in dieser Schaffensperiode von den genannten Strömungen der Jahrhundertwende zu lösen und das Motiv in eigenständiger Manier zu interpretieren. 1907 schreibt er seiner Schwester von Stuttgart aus: „Ich habe schon ein Bild beinah fertig, ein Mädchen, auf einem Hügel sitzend, Toggenburgerstimmung!“ Beflügelt von der Heimatlandschaft, die er kurz zuvor während eines Besuchs in Ebnat erlebt, sucht er die Eindrücke malerisch zu fassen. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Gemälden, die dem Tal- und Bergraum um den Heimatort gewidmet sind, wird die Landschaft jedoch nicht detailreich wiedergegeben, sondern entbehrt in starker Reduktion auf eine trüb-gedämpfte Farbpalette und konturierende Linien jeglicher Lokalisierbarkeit. Vor diesem flächig stilisierten Landschaftsgrund hebt sich die weibliche Aktfigur ab, deren klassische Proportionen die Komposition bestimmen. Mittig ins quadratische Bildfeld eingepasst, füllt die Figur dessen Höhe fast vollständig aus, wobei die Position des Bauchnabels als Körpermittelpunkt dem Zentrum des Bildes entspricht. Die Konturen des Hügelzugs im Hintergrund korrespondieren wiederum mit den geschwungenen Linien des weiblichen Körpers. Gebrochen wird dieses harmonische Gefüge durch das wortwörtlich Abgründige ¬– in Form des rauen, schattierten Abhangs, der sich rechter Hand auftut. Diesem wendet die schwermütige Frauengestalt das Gesicht zu, während sie mit geschlossenen Augen in zeitloser Versunkenheit verharrt. Sie scheint in einen Zustand vollkommener Abwesenheit entrückt, wobei sich nicht festmachen lässt, ob sie in einen Traum gefallen ist oder ob sie sich der Aussenwelt bewusst verweigert. Das Spiel mit dem Abgründigen und die Melancholie ziehen sich als roter Faden durch Brühlmanns gesamtes Schaffen. Umso schwerwiegender wirken diese Grundstimmungen angesichts der Tatsache, dass sich der Künstler wenige Jahre später, nach längerer Erkrankung an Syphilis, das Leben nimmt.

Das „Mädchen auf dem Hügel“ gelangt 1964 dank einer Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung in die Bestände des Aargauer Kunsthauses. Brühlmann ist neben einem weiteren Frauenbildnis mit Stillleben und Landschaften sowie einer Gruppe von Zeichnungen in der Sammlung vertreten.

Raphaela Reinmann

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