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Elisée Jules Gustave Castan, Marée haute à la Bernerie, Loire inférieure (France), Vor 1892
Öl auf Karton auf Holz, 38 x 59 x 1 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Kurt Lindt

Nachdem der in Genf geborene Maler Gustave Castan (1823–1892) sein Literaturstudium frühzeitig abgebrochen hat, tritt er 1843 für fünf Jahre ins Atelier des damals einflussreichsten Genfer Künstlers Alexandre Calame (1810–1864) ein. Studienreisen mit seinem Lehrmeister führen Castan in das Berner Oberland und weiter nach Rom, später auch nach Neapel. Die italienische Kunst hinterlässt keinen bleibenden Eindruck; der Besuch in Paris 1848/49 entfacht hingegen Castans Begeisterung für die Schule von Barbizon. Insbesondere die Begegnung mit Camille Corot (1796–1875) und dessen Schaffen beeindrucken ihn stark. Castan gibt die von Calame erlernte Darstellung des Gebirges nicht vollends auf, wendet sich nun aber intimeren Landschaftsmotiven zu. Nach erfolgreicher Teilnahme an der Pariser Weltausstellung 1855 werden die Landschaften Castans an sämtlichen Salons von 1855 bis 1882 berücksichtigt. Er kehrt in seine Heimatstadt Genf zurück und beteiligt sich aktiv an der 1865 gegründeten Gesellschaft Schweizerischer Maler und Bildhauer, der er 1887 als Präsident vorsteht. In dieser Position setzt er sich massgeblich für die Vergabe eines jährlichen Kunstkredits für die bildenden Künste ein.

Nicht ganz zu Unrecht wird Castan am Pariser Salon als „Schüler von Calame“ gehandelt, bildet doch die Schweizer Alpenwelt vor allem in seinen frühen Werken ein bevorzugtes Sujet. Die Bezeichnung hält sich lange, und erst in jüngerer Zeit werden Castans eigenständige Errungenschaften in der Landschaftsmalerei posthum anerkannt. In Paris macht Castan Bekanntschaft mit dem Künstler Camille Bernier (1823–1902) aus dem Umkreis Corots. Bernier lebt an der nordwestlichen Spitze Frankreichs und lädt Castan zu mehreren Reisen in die Bretagne sowie in die Normandie ein. Vor Ort malt und zeichnet Castan eine Reihe von Studien gleichen Inhalts und Formats, zu der auch das vorliegende Werk gehört. Es findet infolge der grosszügigen Schenkung Kurth Lindts im Jahre 1946 Eingang in die Sammlung des Aargauer Kunsthauses.

Der Bildtitel verweist auf die Ortschaft La Bernerie-en-Retz südwestlich von Nantes an der Atlantikküste. An einer sandigen Uferpartie stehen zwei Staffagefiguren, hinter denen sich die für die Gegend charakteristischen Felsen erheben. Vor ihnen erstreckt sich das in türkisen Tönen gehaltene Meer unter einem von grau-weissen Wolken bedeckten Himmel. Thematisch schliesst Castan an Gustave Courbets (1819–1877) Abbildungen von Küstenlandschaften an; der präzise, tonige Auftrag bleibt aber farblich in der Tradition Calames verhaftet.

Karoliina Elmer

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