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Max Matter, Nordwand, 1970
Spray auf Cupolux, Neonröhre, Glühbirne, 146.5 x 205.5 x 40 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Beate Schnitter und Marina, Noemi und Xenia Schindler
Copyright: Max Matter

„Braucht Zürich Hochhäuser?“ fragte der Architekt und vormalige Landi-Direktor Armin Meili Ende 1950 in einer dreiteiligen Artikelserie in der NZZ und schlug – eben zurück aus New York – eine Mutig dimensionierte Cityrandbebauung für die Limmatstadt vor. Damit stiess er nicht nur eine von der Avantgarde bereits in den 1920er-Jahren lancierte Debatte zur funktionalen Stadt neu an, er mahnte auch zum sparsamen Umgang mit den Landreserven. Gehört wurde er allerdings nur von wenigen, was mit dem Bauboom der 1960er-Jahre unübersehbar wurde. Während in den Innenstädten erste Verwaltungsbauten in die Höhe schossen, wich die Wohnbevölkerung in die Peripherie aus, wo in Form neuer Grossüberbauungen und Villenquartiere auf der grünen Wiese realisiert wurde, wofür der Platz in den Zentren fehlte.

Vom „urban sprawl“, der Zersiedlung der Agglomerationen und des Mittellands, handeln auch die Werke, mit denen der junge Aarauer Max Matter (*1941) die Zürcher Galerie- und Sammlerwelt ab 1968 eroberte. Kommentierten sie anfangs die Ablösung vom alten Schweizbild noch allgemein, so rückte die Architektur schon bald in den Fokus. Fasziniert und befremdet zugleich vom Individualismus der Baustile und dem egoistischen Streben nach edlen Wohnlagen mit See- und Bergsicht, mokierte sich Matter mit jäh kontrastierenden Realitäten über die Fehlentwicklungen im Land. Sandkasten vor Hochhaus, Pool trotz Seeanstoss, Hollywood-Villen vor Alpenkranz: Die Motive, die der Künstler den Architekturheften seines Mitbewohners Joe Meier entlieh, eint ein leiser Sarkasmus. Vielsagend ist zudem der Widerspruch zum billigen Baustoff Kellco und zur süsslichflächigen Bildsprache, die er – mit Parallelen zur Pop Art – dafür wählte.

Ende 1969 entdeckte Matter in einer Werbestrecke dann ein neues Produkt: Cupolux. Mit diesen doppelschaligen Acrylglaskuppeln aus dem Flachdachbau war der Architekturbezug noch direkter gegeben. Auch die Lichtwirkung liess sich spektakulär gestalten, so dass viele Dämmerungs- und Gegenlichtszenen entstanden. Hierzu zählt auch Nordwand (1970), das als eines der grössten Werke der Serie vor der eisigen Eigernordwand zwei Scheibenhochhäuser mit gleissenden Fassaden zeigt. Geduldig schnitt Matter die Motive aus einer innenseitig angebrachten hauchdünnen Bleifolie und sprayte sie – beginnend mit den Schneefeldern – in einem von vorn nach hinten organisierten Prozess auf. Den Abschluss machten die Fensterbänder und der Himmel, wo Sprühlacke aus dem Floristenbedarf für einen naturalistischen Farbverlauf sorgten. Kaum fertig, wurde die Kuppel von der Zürcher Galerie Palette am 3ème salon international des galeries pilotes in Lausanne und Paris gezeigt. Danach ging sie in den geteilten Besitz der Architekten Beate Schnitter und Werner Schindler über, die sie halbjährlich quer durch Zürich transportierten. Dabei dürfte sie weitere Debatten über das richtige Bauen im Spannungsfeld von Moderne und Heimatschutz angeregt haben, war Schnitter, die Nichte von Lux Guyer, doch ab 1958 in der Zürcher Arbeitsgemeinschaft für Städtebau und ab 1972 auch im Schweizer Heimatschutz engagiert.

Astrid Näff

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