Aquarell auf Milimeterpapier, 60.5 x 84 cm
Josef Herzog (1939–1998) absolviert die Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Kunstgewerbeschule in Luzern. Seine frühen, vor 1970 geschaffenen Arbeiten – viel farbige Aquarelle mit klar umrissenen Formen und in geometrische Felder unterteilte Tuschezeichnungen – zeugen noch von der prägenden Kraft seines Lehrers, des Schweizer Surrealisten Max von Moos (1903–1979). In seiner weiteren künstlerischen Entwicklung gibt er die Gegenständlichkeit auf, vereinfacht die Bildmittel und beschränkt sich auf die Möglichkeiten rein linearer Gestaltung. Der Kunsthistoriker Stephan Kunz erkennt in Herzogs Œuvre ein Wechselspiel von Formgebung und Formzerstörung und versteht dieses als Versuch, feste Ordnungen zu durchbrechen.
Um 1972 entdeckt Herzog die Pyramide als Sujet und erkundet sie in zahlreichen Arbeiten. Mit dieser Werkgruppe erreicht er einen ersten Höhepunkt in seinem Schaffen. Das einfache Zeichen des Dreiecks wird eine Zeitlang beinahe zum Grundmotiv. Zum letzten Mal in seinem künstlerischen Werdegang lässt sich ein Bildgegenstand mit einem Begriff benennen. Theo Kneubühler umschreibt den Gehalt und die Wirkung der Werke im „Aargauer Almanach“ von 1974 wohl am präzisesten: „Es ist, als wären die Pyramiden von Gizeh aus Sand gebaut.“ Eine Umschreibung, die für Herzogs Schaffen allgemein und nicht nur für die Gruppe der Pyramidenzeichnungen gültig ist.
Die Sammlung des Aargauer Kunsthauses beherbergt mehrere Arbeiten aus dieser Werkperiode. In „Ohne Titel“ verwendet Herzog Millimeterpapier als Zeichengrund und zieht mit unterschiedlichen Aquarelltönen waagrechte Linien, die der vorgegebenen Struktur des Blattes folgen. Die Strichlänge nimmt vom unteren Bildrand gegen den oberen konstant um einen Millimeter ab, und die Spitze kommt exakt in der Mitte der Bildbreite zu stehen. Die Farbintensität der gezogenen Linien ist unregelmässig und bildet einen Gegensatz zur präzisen Rasterung des Papiers.
Karoliina Elmer