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Silvia Bächli, Ohne Titel, 1982
Tusche auf Papier, je 30.4 x 42.9 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Betty und Hartmut Raguse-Stauffer
Copyright: Silvia Bächli

Silvia Bächli (*1956) hat sich international als eine der bedeutendsten Zeichnerinnen ihrer Generation etabliert. Ihr künstlerisches Schaffen zeichnet sich durch eine ausserordentliche Kontinuität aus. Sie konzentriert sich fast ausschliesslich auf die Zeichnung und treibt die Entwicklung des Mediums durch formale und technische Veränderungen stetig voran. Nach dem Diplom als Primarlehrerin absolvierte sie die Schule für Gestaltung in Basel und die Ecole Supérieure d’Art Visuel in Genf. Ihre Arbeiten werden seit 1981 regelmässig in Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt und wurden mit zahlreichen Preisen geehrt (u.a. 1990 Manor-Kunstpreis Aarau, 2003 Prix Meret Oppenheim, 2007 Hans-Thoma-Preis). Seit 1993 hat sie eine Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe inne. 2009 vertrat sie zusammen mit Fabrice Gygi die Schweiz an der Biennale in Venedig.

Zeichnet Bächli zu Beginn der 1980er-Jahre noch in A4-Hefte, gibt sie diese 1982 zugunsten der Arbeit mit kleineren und mittleren Formaten auf. Ihre Bilder entstehen auf dem Boden, und sie verwendet bevorzugt schwarze Gouache, Tusche, Kohle oder Ölpastellkreide, Pinsel und Stift. Selten Farbe. Die Serie „Ohne Titel“ stammt aus dieser frühen Schaffensperiode und ergänzt die Sammlung dank dem Depositum eines Basler Sammlerehepaars. Bächli bewarb sich 1982 mit der Reihe erfolgreich um das eidgenössische Kunststipendium. Das Werk umfasst 24 mittelformatige Tuschezeichnungen, die als Block gehängt präsentiert werden. Die Blätter zeigen, in Bächlis charakteristisch flüchtiger Malweise, weibliche Körper, ganz oder fragmentarisch, eine Katze, Masken, einen gedeckten Tisch, eine Topfpflanze, Strichmännchen, nur Beine, einen Frauenakt und eine Architekturansicht.

Die aufgezählten Bildinhalte verweisen auf Bächlis Inspirationsquelle, die in ihrer nahen Lebenswelt zu finden ist. Die alltäglichen Gegenstände sind wiederkehrende Motive in ihrem Œuvre. Für ihre Darstellungen wählt sie ungewohnte Perspektiven, fokussiert auf Neben- bzw. Hauptsächliches und spielt mit Fragmenten. Gepaart mit dem Einsatz minimaler Mittel – schwarze Linien auf weissem Papier unterschiedlichen Formats – schafft sie es, Empfindungen zu wecken und einen grossen Freiraum für persönliche Assoziationen zu lassen. Die Künstlerin selbst meint, dass ihre Bilder „so etwas wie halbangefangene Sätze“ seien. Konsequenterweise betitelt sie daher ihre Zeichnungen nicht. Sie verzichtet auf eine Vollendung und stoppt, bevor die Arbeit eine Endgültigkeit erreicht hat. Bis zur Präsentation durchwandert Bächli unterschiedliche Stadien: Dem spontan anmutenden Zeichnen folgt die Auswahl der Blätter, die sie in sorgfältig bestimmter Folge anordnet. Ähnlich einem Reifeprozess bilden die einzelnen losen Arbeiten durch die behutsame Hängung ein Werk. Die Installation ihrer Zeichnungen, stets dem jeweiligen Ausstellungskontext angepasst, gewinnt im weiteren Verlauf ihrer Karriere zunehmend an Bedeutung. Sie werden nicht mehr linear gehängt, sondern in unterschiedlichen Höhen und Abständen zu „Ensembles“ angeordnet, die sie mit Titeln wie „left sleeve“, „Ida“, „quittengelb“ versieht. In Silvia Bächlis geschaffenen Räumen werden die Betrachtenden zum Bewegen aufgefordert, dazu, die Einzelzeichnung von nahe und das Gesamtwerk aus Distanz zu betrachten.

Karoliina Elmer

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