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Aldo Walker Rolf Winnewisser, Ohne Titel (Stromern im Bild), 1982
Dispersion auf Baumwolle,
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Rolf Winnewisser, Nachlass Aldo Walker

„Dort, wo die Sprache nicht mehr weiter kann, entsteht das Bild.“ Knapp und anschaulich benennt Rolf Winnewisser (*1949) mit diesem Satz aus seinen „Notizen zu den Bildtafeln“ den Übergang von einem codierten, der Konvention unterliegenden Verständigungsakt in eine bedeutungsoffenere Form von Kommunikation. Zugleich trifft er damit das Kernthema von Aldo Walker (1938–2000), der zunächst als Konzeptkünstler Bekanntheit erlangte, bevor er mit Textbildern, Bildzeichen, der Objektreihe der Logotypen und endlich mit nur noch behelfsmässig beschreibbaren figürlichen Grafismen das Wesen der Kunst als semantisch autonomes, weder rein repräsentierendes noch übersetzbares Ausdrucksmittel zu fassen bestrebt war. Diese Bildforschung gipfelte 1999 in der Werkfolge der „Morphosyntaktischen Objekte“, die im Jahr 2000 in einer sechsteiligen Tafelversion erworben werden konnte und die nun mit dem Ankauf der annähernd zwei Jahrzehnte früher von Walker und Winnewisser gemeinsam konzipierten, ebenfalls sechsteiligen Reihe von Bildtüchern eine perfekte Ergänzung erfährt.

Walker und Winnewisser, beide in Luzern aufgewachsen, standen sich schon Anfang der 1970er-Jahre nahe. Ihr enger Austausch, der mit Treffen im Restaurant Fritschi begann und sich während Winnewissers Zeit als Alphabetisierungshelfer in Afrika brieflich fortsetzte, führte ab 1975 wiederholt zu Kollaborationen. Die erst jüngst in Walkers Nachlass wieder aufgefundenen Bildtücher entstanden im Herbst 1982, als Winnewisser einer Einladung des Mannheimer Kunstvereins gefolgt war und Walker hinzugebeten hatte. Die Schau erhielt in Anspielung auf das stete Unterwegssein des Jüngeren, die Elektroausbildung des Älteren und das anfänglich Ziellos-Offene ihres Doppelauftritts den Titel „Stromern im Bild“ und wurde – nicht zuletzt dank dem vorliegenden Gemeinschaftswerk – zum Zeugnis einer kongenialen Denkarbeit am Bild.

Ausgeführt auf nur lose an die Wand gepinnten Baumwollstoffen in zwei Grössen, zeigen die Tücher in der oberen Hälfte neunzehn von Walkers unverkennbaren, zeichenhaft-überindividuellen Figuren. Mit Schablonen auf die graue Grundierung aufgetragen, formieren sie sich zu Gruppen, in denen sie innerbildlich oder auch bildübergreifend verschiedene Beziehungen eingehen, derweil ihre Gestik auf den Sprechakt verweist. Die unteren Hälften enthalten als Beitrag von Winnewisser Kreissegmente, die sich, vorbereitet in einer Collage gleichen Formats, zu einer Darstellung des Turmbaus von Babel ergänzen, reich an Bezügen zur Kunstgeschichte und Sinnbild für den Ursprung und die Vielfalt der Sprachen. Für die Künstler verband sich damit vor dem Hintergrund der analytisch-philosophischen Aufhebungsversuche der Sprachverwirrung seitens der Strukturalisten und Poststrukturalisten ein Nachdenken über ebenderen Methoden und Theorien. Oder genauer: Mit den Segmenten und der variierten Reihung reflektierten sie deren Auffassung von Sprache als ein wie auch immer geartetes, zerlegbares Zeichensystem, dessen Sinn sich erst – wie hier beispielhaft ersichtlich – aus der Differenz seiner Elemente und deren relativer Position innerhalb des Ganzen konstituiert.

Astrid Näff

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