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Johann Heinrich Füssli, Paolo Malatesta und Francesca da Polenta von Gianciotto Malatesta überrascht, um 1785
Öl auf Leinwand, 121 x 132 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Fotocredit: Jörg Müller

Die Gemälde des Schweizer Künstlers Johann Heinrich Füssli (1741–1825) gehören zu den ältesten in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses. Sie bieten einen Überblick über Füsslis gesamtes Schaffen, greifen sie doch seine drei zentralen literarischen Quellen auf: Dante Alighieri (1265–1321), William Shakespeare (1564–1616) und John Milton (1608–1674).

Im Gemälde „Paolo Malatesta und Francesca da Polenta von Gianciotto Malatesta überrascht“ stützt sich Füssli auf eine wichtige Vorlage in seinem künstlerischen Schaffen: Alighieris „Divina Commedia“. Füssli setzt sich bereits während seiner Studienzeit in Zürich mit dem italienischen Dichter auseinander. Sein Professor Johann Jakob Bodmer (1698–1783) entdeckt Dantes Dichtung für den deutschen Sprachraum und bringt sie dem jungen Füssli näher. 1765 wandert Füssli nach Grossbritannien aus, wo er ein angesehener Künstler werden sollte. Unterbrochen wird sein Leben in London von einem längeren Aufenthalt in Rom von 1770 bis 1778. Dort liest Füssli – nun vertraut mit der italienischen Sprache – die „Divina Commedia“ im Original. Das Studium wird durch Michelangelo und dessen von Dante inspirierten Bilderfindungen in der Sixtinischen Kapelle intensiviert. Es entstehen erste grafische Arbeiten, mit denen Füssli die seit dem 16. Jahrhundert bestehende Tradition der Dante-Illustration erneuert. Obwohl die „Divina Commedia“ nie zu einer Hauptquelle seiner Kunst wird, gibt Füssli doch den Impuls für die zunehmende künstlerische Verarbeitung von Motiven aus Dantes Werk in England. Er gilt als Wegbereiter für die Dante-Zyklen von John Flaxman (1755–1826) und William Blake (1757–1827).

Die „Divina Commedia“ schildert aus der Perspektive von Dante selbst eine Reise durch die drei Reiche des Jenseits – Hölle, Fegefeuer, Paradies. Füssli wählt als Bildmotiv eine äusserst populäre Sequenz aus, als Dante in der Hölle Francesca da Polenta und Paolo Malatesta begegnet. Das Liebespaar wurde von Francescas Ehemann und Paolos Bruder – Gianciotto Malatesta – auf frischer Tat ertappt und getötet; die beiden gelten als Inbegriff schicksalhaft-unausweichlicher Liebe. Füssli situiert die Szene in einem Garten und zeigt im rechten Vordergrund ein leidenschaftlich umschlungenes Paar. Hinter ihnen im linken Bildmittelgrund erscheint ein Mann mit gezogenem Schwert. In einer angedeuteten Fassade findet die Szene ihren Abschluss.

Die Darstellung ist eine Adaption des im Rokoko beliebten und verbreiteten Bildtypus des „überraschten Paares“. Das Böse wird offensichtlich durch Francescas Gatten Gianciotto Malatesta verkörpert, der das Liebespaar erwischt und ermordet. Füssli geht in seiner künstlerischen Umsetzung weiter und stellt Francesca nicht als unschuldig Verstrickte dar, sondern als bewusst handelnde, reife Verführerin des Jünglings Paolo, der somit zum Opfer wird.

Karoliina Elmer

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